Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Darkside Park: Mystery-Thriller (German Edition)

Darkside Park: Mystery-Thriller (German Edition)

Titel: Darkside Park: Mystery-Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon X. Rost , Ivar Leon Menger , John Beckmann , Raimon Weber , Hendrik Buchna , Christoph Zachariae
Vom Netzwerk:
nahezu vollkommen vom Winter verschlungen worden war. Das Mädchen begehrte, unseren Schamanen zu sehen, um mit den Geistern zu sprechen.
    Wir Kinder getrauten uns nicht, das Wort an sie zu richten. Schweigend folgten wir ihr zum Großen Zelt. Durch einen Spalt sahen wir, wie sie niedersank und der Schamane ihre Stirn berührte. Seine Hände zitterten, glaube ich.
    All das verstanden wir nicht.
    Als sie das Zelt verließ, fasste ich mir dann ein Herz.
    »Wie heißt du?«, fragte ich sie.
    »Ya-Lia«, antwortete sie.
    Ihre Augen waren blau wie Eiskristall.
    »Wohin willst du?«
    »Meine Brüder und Schwestern sterben. Ich muss zur verbotenen Lichtung und den Frühling finden.«
    Mit ruhiger und klarer Stimme sagte sie das. Dann drehte sie sich um und ging.
    Wir blickten ihr nach, wie sie über die Ebene schritt, und wandten uns erst ab, als ihre helle Gestalt vollends
    im Schatten des Waldes verschwunden war.
    Ich erzählte meinem Vater von Ya-Lia. Und von der verbotenen Lichtung. Er wurde sehr böse, meinte, das Mädchen sei nicht bei Sinnen gewesen, und ich sollte sie schnell vergessen.
    Aber ich konnte sie nicht vergessen.
    Sie, die schöne Ya-Lia, die den Frühling finden wollte.
    Oft noch musste ich an sie denken. An ihr leuchtend helles Haar. Die ernsten Augen.
    Ich habe sie nie wieder gesehen.

    Der Winter wich nicht.
    Wieder begann es zu schneien. Tage, Wochen. Egal wie oft wir auch den Standort wechselten, wir konnten dem Schnee nicht entkommen. Schließlich hielt ich es nicht mehr aus. Auf der großen Feuerstelle mitten im Dorf begann ich zu rufen, zu schreien.
    »Redet! Was geschieht mit uns? Warum hört der Winter nicht auf?«
    Doch ich erhielt keine Antwort.
    Ich schien allein zu sein. Allein in einem todgeweihten Dorf, über das ein fahles Tuch aus Schnee und Eis gebreitet war.
    Dann aber vernahm ich doch eine Stimme.
    »Komm! Komm hierher!«, rief sie mich in schwachem, heiserem Ton.
    Es war Hia-Takee. Der alte Hia-Takee.
    Seine knochige Hand winkte mich zu sich. Ich folgte ihm in sein kleines, unter eine gewaltige Schneewehe geducktes Zelt. Hia-Takee war früher ein großer Krieger gewesen, stark und ungestüm. Jetzt war er alt, und in den letzten Jahren war sein Geist mehr und mehr in die Schattenwelt hinübergegangen. Er sprach nur noch selten. Und wenn doch, so war es schwer, den verschlungenen Pfaden seiner Worte zu folgen. Nun aber saß ich ihm gegenüber, atmete die Luft des Vergangenen und blickte in zwei funkelnde, sehr wache Augen.
    »Du willst also wissen, warum der Winter nicht gehen will?«
    Ich nickte. Angst nagte an meinen Eingeweiden. Die Angst vor der Wahrheit, die sich unter all dem schrecklichen Weiß verbarg.
    »Es sind die ›Fernen‹«, fuhr Hia-Takee fort. »Sie haben entschieden, dass wir gehen müssen.«
    »Die Fernen?«, fragte ich verwirrt. »Du meinst die Fremden aus dem Land jenseits des großen Wassers?«
    Hia-Takee schüttelte den Kopf.
    »Die, die ich meine, waren schon hier, weit bevor unser Volk diese Wälder betreten hat. Viele Namen hat man ihnen gegeben: Die Großen Väter, Erdgötter, Schattenkrieger.
    Ihnen allein gehört dieses Land. Was sie begehren, nehmen sie sich. Und wer sie nicht achtet, den vernichten sie.«
    Ungläubig blickte ich ihn an. »Woher weißt du all das?«
    »Ich begegnete einem von ihnen, vor vielen Jahren. Wir waren vier Krieger. Während der Jagd hatten wir die verbotene Lichtung entdeckt. Ich beschwor die anderen, sofort umzukehren, doch sie hörten nicht auf mich. Zu stark brannte die Neugier in ihren Herzen, und der Durst nach Heldentaten vernebelte ihre Sinne. Sie betraten die Lichtung, und der Zorn der Väter traf sie in Gestalt des Einen. Ich selbst floh und bin nie wieder an diesen Ort zurückgekehrt.«
    Aufgebracht wies ich nach draußen in die weiße Kälte.
    »Aber all das ist lange her! Warum strafen sie uns so? Was haben wir getan, das sie so erzürnt?«
    »Darauf vermag ich keine Antwort zu geben«, erwiderte Hia-Takee. »Ich weiß nur, dass wir nicht entfliehen können. Jenseits der Berge ist das Land der Powhatan, und von Osten her dringen immer mehr Weiße vor. Die Zeit unseres Volkes wird bald vorüber sein.«
    »Nein!«, entfuhr es mir. »Ich will nicht glauben, dass wir alle zugrunde gehen sollen! Ich werde mich aufmachen und die Großen Väter um Gnade anflehen.«
    Hia-Takee sah mich fest an.
    »Noch nie hat jemand die verbotene Lichtung betreten und ist zurückgekehrt.«
    Er atmete tief ein und schloss die Augen. Dann

Weitere Kostenlose Bücher