Darkside Park: Mystery-Thriller (German Edition)
Rauch nicht aufgewirbelt und davongetragen, sondern stieg langsam in drei pfeilgeraden weißen Säulen in die Nacht auf. Horchend schloss ich die Augen: War da nicht ein gedämpftes Summen zu hören, wie aus einem großen Bienenstock?
Ich war jedoch viel zu müde, um noch weiter über das seltsame Geräusch nachzugrübeln. Sorgsam verschloss ich die Tür und ging leise zurück zu meinem Platz im Heu. Rasch überfiel mich ein tiefer, traumloser Schlaf.
Ich wurde von lautem Rufen geweckt.
Es musste mitten in der Nacht sein, in der Scheune herrschte tiefste Dunkelheit. Aber da war ein kleines Licht, das wild hin- und hergeschwenkt wurde.
Es war Jutaka. Er hielt die Laterne in der Hand. Gespenstisch sah er aus. Auf seiner Stirn standen Schweißperlen, seine Augen waren weit aufgerissen, seine Hände zitterten.
»Los doch! Los, wir müssen fort!«, rief er wie von Sinnen.
Überall ratlose Gesichter, Verwirrung und Angst.
»Was ist passiert? Was hast du denn?«, fragte Ni-Katea in höchster Sorge.
»Beeilt euch! So beeilt euch doch! Er wird gleich hier sein!«
Jutaka war völlig außer sich.
Nun packte ihn Ni-Katea bei den Schultern und schüttelte ihn. »Wer wird gleich hier sein? Wovon redest du?«
Jutaka begann, am ganzen Leib zu zittern. Tränen rannen seine Wangen hinunter. »Ich war beim Haus, am Fenster. Ich hab alles gesehen … alles!«
Ni-Katea schrie jetzt fast: »Was, Jutaka? Was hast du gesehen?«
In diesem Moment wurde die Tür aufgerissen, und der Mann brach in die Scheune herein wie ein gewaltiger Wolf in eine Kaninchenhöhle.
Keine Augen. Nur Schatten. Eine Stimme wie splitterndes Eis.
»Du …«
Der ausgestreckte Zeigefinger seiner dürren Hand deutete auf Jutaka.
»Mitkommen!«
Jutaka wurde kreidebleich. Mit schreckgeweiteten, Hilfe heischenden Augen sah er uns an.
»Bitte … oh bitte, helft mir …«, wimmerte er.
Ti-Kahonn, Ma-Tu und wir anderen waren aufgesprungen. Ni-Katea stellte sich schützend vor Jutaka. »Lass ihn in Ruhe. Er wird hier bleiben!«
Langsam ging der Mann auf Ni-Katea zu. »Gib ihn heraus.«
Ni-Katea schüttelte den Kopf. »Nein. Das werde ich nicht tun.«
Einen Augenblick verharrte der Mann dort, wo er stand. Dann schlug er zu.
Die Bewegung war so schnell, dass schon alles vorbei war, ehe wir überhaupt begriffen, was geschehen war. Wie ein leichter Tannenzapfen flog Ni-Katea zur Seite, prallte mit einem lauten Aufschrei gegen einen Pfosten und blieb regungslos auf der Erde liegen. Doch obgleich die Bewegung so ungeheuer schnell gewesen war, bin ich mir sicher, dass die Faust Ni-Katea gar nicht berührt hatte. Der Mann hatte sie lediglich in seine Richtung ausgestreckt.
Nun stand er vor dem erstarrten Jutaka, packte ihn an der Felljacke und hob ihn wie eine Puppe in die Luft.
»Du neugieriges Häschen schaust also gern durch fremde Fenster? Dann habe ich jetzt etwas ganz Besonderes für dich …«
Damit wandte er sich um und nahm Jutaka mit sich. Krachend fiel die Tür ins Schloss.
Während ich zu Ni-Katea lief, rannten die anderen zur Tür, um den Mann aufzuhalten. Doch obwohl es keinen äußeren Riegel gab und auch kein Schlüssel im Schloss steckte, rührte sich die Tür um kein Haarbreit. Sie war felsenfest verschlossen.
Ni-Katea war immer noch ohne Besinnung. An der Stirn hatte er eine stark blutende Wunde. Wir wuschen sie aus und verbanden sie. Während wir uns noch um ihn kümmerten, suchten unsere Freunde nach einem anderen Ausweg aus der Scheune. Jedoch auch die große Heuluke auf dem Dachboden war so fest verschlossen, als sei sie vernagelt worden. Die schmale Holztür an der Rückseite der Scheune ließ sich ebenfalls nicht öffnen, und durch das winzige Fenster konnte niemand hinausklettern. Es gab keine Möglichkeit zu entkommen. Die Scheune schien wie mit einem undurchdringlichen Bann belegt zu sein. Wir überlegten noch, was wir tun konnten, da erschallte ein furchtbarer Schrei vom Haus herüber, der uns allen durch Mark und Bein ging.
Es war Jutaka.
Mit Tränen der Wut in den Augen griff Ti-Kahonn einen schweren Holzscheit und schlug damit auf die Tür ein. Auch die anderen halfen mit. Ma-Tu hatte einen rostigen Hammer gefunden, und Se-Temm versuchte, mit einem großen Stein das Schloss aufzubrechen. Vergebens.
Die Tür hielt stand.
Schließlich ließ Ti-Kahonn den Scheit fallen und zog sich gesenkten Kopfes stumm in eine Ecke der Scheune zurück.
Die Zeit verstrich, und allmählich wurde es Tag. Wir saßen da und warteten. Noch
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