Darkyn: Dunkle Erinnerung (German Edition)
nahm ihren üblichen Platz am Türrahmen ein.
Ernesto Garcias Büro war so aufgeräumt wie der Captain selbst. Eine Wand war mit den ehrenvollen Erwähnungen bedeckt, die er sich mit den Jahren verdient hatte. Seit drei von sieben Jahren, die Sam jetzt hier arbeitete, saß er in dem ehemaligen Verhörraum des Morddezernats, aber ihn umgab noch immer ein Geheimnis. Er stand in dem Ruf, seine Abteilung effizient und streng zu führen und Zeitverschwendungen und Unsinn nicht zu tolerieren.
Dennoch waren sich alle einig, dass etwas mit Garcia nicht stimmte.
Anders als die anderen Officers mit kubanischer Abstammung im Department verschwendete der Captain keine Zeit damit, eine gute Beziehung zu seinen Untergebenen aufzubauen oder sich selbst als freundliche Autoritätsfigur zu etablieren. Er war außerdem Junggeselle, lebte allein und sprach nie über Familie oder Freunde.
»Er ist schwul«, war Jeff Petersons Theorie. »Und sein Freund ist eine Drag Queen. Eine verdammte Drag Queen.«
»Nee, ich wette, er lebt mit seiner kleinen alten grauhaarigen Mamacita zusammen«, meinte Ortenza. »Meine würde zu uns ziehen, wenn wir Platz hätten. Ich glaube nur, dass meine Frau sie vergiften würde.«
Sam waren das Liebesleben oder die privaten Verhältnisse ihres Chefs egal; sie fand, dass ihm ein Privatleben zustand. Da Garcia sehr gesundheitsbewusst war, hielt er sich jeden Morgen vor der Arbeit mit Gewichtheben und einem Achttausendmeterlauf auf einer Indoorbahn fit. Sie wusste das, weil sie in das gleiche Fitnessstudio ging. Harry glaubte, dass Garcia sich den Kopf rasierte, um älter und härter auszusehen, aber Sam war sicher, dass der Captain morgens einfach keine Zeit damit verschwenden wollte, sich zu kämmen.
»Der vorläufige Obduktionsbericht über Caprell, Lena.« Er hielt die Akte der Gerichtsmedizin in der Hand. »Todesursache war Ertrinken.«
»Wir glauben …«, setzte Harry an.
»Sie ist in Leitungswasser ertrunken«, fuhr Garcia fort, als hätte Harry nichts gesagt. »Beide Lungen waren damit gefüllt. Der Pathologe hat außerdem einige Male am Nacken, zehn abgebrochene Fingernägel und zahlreiche Hämatome am oberen Brustbein gefunden.«
Niemand musste das Offensichtliche aussprechen: Lena Caprell war ermordet worden.
»Wir glauben nicht, dass sie am Strand ermordet wurde«, meinte Sam und beschrieb die Art, wie die Leiche drapiert war. »Sie saß nicht zufällig da. Der Täter muss sie da hingesetzt haben.«
»Reden Sie mit den Männern in ihrem Leben.« Garcia schob die Akte über den Tisch. »Besorgen Sie sich ihr Foto und machen Sie Kopien, zeigen Sie es in der Gegend herum. Sprechen Sie mit den Angehörigen, vielleicht ist sie kürzlich von jemandem verlassen worden. Quinn, entschuldigen Sie uns für einen Moment.«
Harry warf Sam einen kurzen besorgten Blick zu, dann zog er sich zurück.
»Setzen Sie sich, Brown.«
Sam mochte diese Aufforderung, sich zu setzen, nicht; sie bedeutete schlechte Neuigkeiten. Dennoch nahm sie auf Harrys Stuhl Platz. »Falls es um einen neuen Partner geht, Captain, ich würde gerne eine Weile allein arbeiten.«
Überraschung huschte über Garcias dunkles Gesicht, bevor es wieder ausdruckslos wurde. »Das verstößt gegen die Regeln der Abteilung. Peterson hat den Posten an der Akademie bekommen, also kommen nächste Woche zwei neue, die hierherversetzt werden.«
Sam wusste, dass ihr Boss bereits jemanden ausgewählt hatte, der Harrys Platz einnehmen sollte. »Jemand, den ich kenne?«
»Adam Suarez aus der Wirtschaftskriminalität und Wes Dwyer von der Metro-Dade.«
Ihr ganzer Körper wurde kalt. Drei Schüsse erklangen in ihrer Erinnerung, während ein Phantomschmerz über den Rücken ihrer linken Hand kroch. Sie erinnerte sich nicht an die Kugeln, die sie in den Bauch und den Oberarm getroffen hatten. Nur an die, die ihr beinahe die Hand abgetrennt hatte.
Ein attraktives Gesicht grinste sie heimtückisch an aus einer Vergangenheit, die sie nicht abschütteln konnte. Ich mach dich fertig, Schlampe . Noch eine, weniger attraktive Visage grinste hinter einer Knarre. Wes sagt, das soll ich dir von ihm ausrichten .
»Ich bin über Ihre Geschichte mit Dwyer informiert«, sagte Garcia über das dumpfe Dröhnen von Marquetas Gelächter in Sams Ohren. »Ich dachte, ich sage es Ihnen, bevor er kommt, damit Sie sich darauf vorbereiten können.«
»Vorbereiten.« Sie blickte über die zehntausend Meilen von Schreibtisch zwischen ihnen. »Als ich das letzte Mal mit
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