Darkyn: Dunkle Erinnerung (German Edition)
richten?«
Michael sprach selten mit einem menschlichen Diener anderer Kyn – in Abwesenheit ihrer Meister sollte man sie sehen, aber nicht hören –, aber er wusste, dass Faryls Tat den gesamten Haushalt der Pavieres in Aufregung versetzt hatte. »Um was geht es?«
»Meister Gard ist so verzweifelt«, sagte der Fahrer. Er war ein älterer Kreole, und seine dunklen Augen wirkten, als entginge ihnen wenig. »Gard ist ein treuer Sohn, versteht Ihr, und er würde alles für seine Familie tun. Niemand wusste, dass Faryl noch lebt. Ich flehe Euch an, dies in den kommenden Tagen nicht zu vergessen. Er ist … ein verzweifelter Mann.«
Er war aufgeregt und in schrecklicher Sorge um seinen Meister. Eine solche Aufopferung war unter den Kyn, die sieben Jahrhunderte unter feudaler Lehnsherrschaft gelebt hatten, weit verbreitet, bei ihren modernen menschlichen Dienern aber selten zu finden.
»Ich weiß.« Michael legte dem Chauffeur die Hand auf die Schulter. »Deine Sorge ist Zeugnis dafür, was für ein Mensch dein Meister ist. Ich versichere dir, dass ich mich um die Sache mit Faryl so schnell und gnädig kümmern werde, wie es mir möglich ist. Geh nach Hause und tu für die Familie alles, was du kannst.«
Der Fahrer verbeugte sich und fuhr wieder los.
Michael folgte der langen, perfekt getrimmten Hecke aus weißen Teerosen, die Alexandra gerne ausgebuddelt und durch Hibisken ersetzt hätte, zu den viereckigen Marmorstufen, die zum Eingang des Hauses führten. Die Rosen dienten als Tarnung für die hohe Sichtschutzmauer, die das alte viktorianische Herrenhaus umgab. Ein Tresora -Architekt war extra aus England angereist, um sein Haus zu gestalten, das nach außen ein viktorianischer Traum war, hinter der Stuckverkleidung jedoch als Festung diente.
Vielleicht hätte er etwas Würdevolleres als den weißen Marmorbrunnen in der Mitte des vorderen Hofes in Auftrag geben sollen, etwas, das besser zu seinem kleinen Schloss passte. Aber Michael mochte das Plätschern des Wassers, und als Junge hatte er sehr gerne die Fische gezeichnet, die im Fluss auf dem Landsitz seiner Eltern schwammen.
In letzter Zeit sehnte er sich oft nach jenen Tagen, als nichts wichtiger gewesen war als Sonnenschein, Stille und Frieden.
Er setzte sich auf den Rand des riesigen Brunnenbeckens und blickte hinauf zum oberen Teil des Brunnens, wo zwei Kaiserfische ihre langen, fließenden Schwänze miteinander verwoben. Cella Evareaux hatte sie für ihn aus einem alten elfenbeinfarbenen Marmorblock mit Goldeinsprengseln gemeißelt, den sie aus Griechenland mitgebracht hatte, und ihm die Skulptur ohne Worte als Geschenk überreicht, als er Suzerän von New Orleans geworden war.
Wie kann ich dir dafür danken? , erinnerte Michael sich, sie gefragt zu haben.
Ihre Antwort war genau das gewesen, was auch er sich heimlich wünschte: Überlasst mich meiner Kunst, Mylord. Lasst mich in Frieden .
Seine geschärfte Wahrnehmung sagte ihm, dass es bald Mitternacht sein musste, und er blickte zu seinem Schlafzimmerfenster hinauf. Alexandra war noch wach und wartete auf ihn. Anders als bei Michael und den anderen Kyn, die nachts aktiver waren, machten Tag und Nacht für sie keinen Unterschied. Sie würde Antworten wollen, die er ihr nicht geben konnte, Begründungen, die er ihr nicht zu erklären wagte.
Er hatte keine Wahl, er musste sie Faryl Paviere vergessen lassen.
Michael ging ins Haus und hinauf in sein Schlafzimmer. Alexandra lag zusammengerollt im Bett und schlief. Sie trug eines der Satinnachthemden, die er ihr geschenkt hatte, und ihre wilden haselnussbraunen Locken flossen über das Kissen. Er beobachtete, wie sie atmete, aber als er eine Hand auf ihren schmalen Hals legen wollte, öffneten sich ihre Augenlider.
Ein Lächeln hob ihre Lippen. »Hallo, schöner Mann.«
Er setzte sich neben sie. »Ich wollte dich nicht stören.«
»Dann hättest du mich niemals entführen lassen dürfen.« Sie setzte sich auf und schob sich das Haar aus dem Gesicht. »Bist du gerade nach Hause gekommen?« Als er nickte, rieb sie sich über die Augen. »Geht es Gard gut?«
»Den Umständen entsprechend.«
»Armer Kerl. Schöne Scheiße, die seinem Bruder da passiert ist. Ich fand das Treffen mit Marcella übrigens sehr erfreulich. Ich dachte, sie wäre vielleicht so verstockt wie ihr Bruder, aber für eine attraktive, etwas mürrische, zurückgezogen lebende Künstlerin ist sie ganz nett.«
»Cella ist lieber allein und spricht selten mit jemandem. Du solltest
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