Darkyn: Dunkle Erinnerung (German Edition)
ansteckte und daran paffte, bis das Ende blutrot glühte. »Dieses Land sollte eigentlich eine vielversprechende Investition für die Erzdiözese von Miami werden. Man kaufte billig ein paar Hundert Morgen Land hier in North Broward, kurz bevor die Gold Coast und Miami ausgebaut wurden. Und später hat man es dann für ein paar Millionen wieder verkauft.«
John nickte. »Und warum wurde dieses Gelände nicht verkauft?«
»Ich bin erst seit ein paar Monaten hier, deshalb weiß ich das nicht genau.« Mercer zuckte mit den Schultern. »Wir liegen direkt am Rand der Everglades, also ist alles westlich von uns Nationalparkgebiet und darf nicht bebaut werden. Außerdem waren die Buschfeuer, die die Indianer auf ihrem Land angezündet hatten, eine Plage. Was auch immer der Grund dafür war, die Kirche hat dieses Gelände zu lange behalten, und die Investoren verloren das Interesse. Dann wurde Bromwell, der vor mir hier Abt war, hergeschickt, um das Kloster zu bauen.«
John blickte auf die aus dem Boden gestampften Gebäude, die das Klostergelände umgaben. »Und das alles war vorher nicht da. Es muss einem vorgekommen sein wie das Ende der Welt.«
»Bromwell muss das so empfunden haben.« Mercer inhalierte einen Mundvoll Rauch und entließ ihn in kleinen Ringen wieder. »Er bestand darauf, diesen Ort nach Vater Luis Cancer de Barbastro zu benennen, einem Priester, der eine Mission in Tampa aufbauen sollte und 1549 von Indianern ermordet wurde. Ihr Amerikaner habt einen barbarischen Geschmack, was Mahnmale angeht.«
»Ich schätze, das haben wir.« John blickte über die Brüstung nach unten. »Vielleicht sah Bromwell es als Hommage.«
»Da kann man nicht runterspringen, alter Freund; es ist nicht hoch genug«, meinte Mercer und suchte in Johns Gesicht nach einer Reaktion. »Du brichst dir nur die Beine, das Rückgrat oder den Hals.«
Kein Muskel zuckte im Gesicht seines Freundes. »Ich hatte nicht vor, da runterzuspringen.«
»Na ja, wenn du mich irgendwo runterschubsen willst, dann sag mir zumindest vorher, was in Chicago passiert ist.« Mercer wartete, aber John schwieg. »Weißt du, einige der älteren Mönche hier sagen, dass Bromwell ein freudloser Paragrafenreiter war. Er hat das Kloster wie ein Diktator geführt und dafür gesorgt, dass alle Brüder, die herkamen, mit ihm litten.«
John verschränkte die Arme und lehnte sich an einen der Dachbalken. »Und?«
»Bromwell hasste Menschen, aber nicht einmal er konnte den Fortschritt aufhalten. Immobilienspekulanten drangen vor zwanzig Jahren bis hierher vor.« Mercer nickte mit dem Kinn in Richtung der belebten Vorstädte. »Alle mit Geld blieben im Osten, deshalb zog diese Gegend die Familien mit weniger Einkommen an, Durchreisende und dergleichen. Bromwell versuchte, das Klostergelände vor ihnen zu schützen, und baute diese verdammte Monstrosität von Mauer um die Klostergebäude« – er deutete auf die gut zweieinhalb Meter hohe Mauer hinter der Kapelle –, »aber er konnte die Brüder nicht länger von der Außenwelt abschotten.«
Mercer erzählte John, wie die Grundstückspreise nach der Massenflucht aus Kuba von 1980 noch weiter sanken, sodass die Brüder sich in einem ständig größer werdenden Schmelztiegel von multikulturellen kubanischen, haitianischen und jamaikanischen Einkommensschwachen wiederfanden.
»Ich weiß aus den Aufzeichnungen, die Bromwell hinterlassen hat, dass er sich wiederholt an das Oberhaupt des Ordens wandte und um Versetzung bat. Doch sie wurde ihm nie gewährt.« Er blickte in den Nachthimmel. »Offenbar hasste er die Immigranten und die Tatsache, dass die anderen Brüder sich in den Siedlungen engagieren wollten, und begann, Geld aus der Kasse des Klosters zu veruntreuen. Ungefähr einen Monat bevor ich herkam, fand einer der jüngeren Mönche es zufällig heraus und konfrontierte Bromwell damit.« Er nickte in Richtung Kapelle. »Sie fanden ihn vor der Abendmesse an einem Balken hängend.«
»Hat man dir deshalb den Posten angeboten? Wegen seines Selbstmords?«
»Du weißt doch, wie abergläubisch die Benediktiner sind«, meinte Mercer. »Es beschmutzte Barbastro in ihren Augen, deshalb gaben sie es den Franziskanern. Und ich war froh, die Zügel in die Hand zu nehmen.«
»Und was tust du jetzt hier, Mercer?«, fragte John.
»Das, was zu tun ist«, antwortete er schlicht. »Die Brüder sind in Dutzende von Gemeindeprojekten eingebunden. Sie haben Geld für die Einrichtung einer kostengünstigen Kindertagesstätte
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