Darkyn: Dunkle Erinnerung (German Edition)
Mercer. »Daraus sollen wir nur lernen, dass wir alle immer wachsam sein und uns bereithalten müssen für die Philister und Goliaths dieser Welt.«
Bald danach bemerkte John andere, subtilere Misstöne.
Eine scheinbar ständige, unsichtbare Anspannung schien die Brüder im Kloster zu begleiten. Sie versuchten es vor John zu verstecken, indem sie ihm etwas anderes vorspielten, aber ihr Verhalten schwankte zwischen überfreundlich und unangemessen hochmütig. Der jüngste Bruder sprach kaum mit ihm, und sie achteten alle sehr darauf, nicht mit ihm allein zu sein.
Sie schienen sich alle vor etwas zu fürchten, aber vor was?
Nicht vor John. Meistens waren die Brüder so beschäftigt mit dem, was immer sie belastete, dass sie Johns Anwesenheit kaum registrierten. Nein, was immer ihnen zu schaffen machte, war etwas, das sie vor ihm zu verheimlichen versuchten. Zu viele leise Gespräche wurden sofort abgebrochen, wenn John in Hörweite kam; zu viele Türen wurden zu schnell geschlossen, wenn er an ihnen vorbeiging.
Er verstand die Politik des Klosters und wusste, dass das Klosterleben einige merkwürdige Angewohnheiten und Riten beinhalten konnte, aber das hier war viel zu auffällig, um irgendetwas anderes zu sein als der gemeinschaftliche Versuch, ihn im Dunkeln tappen zu lassen.
Mercer war keine Hilfe. Erstens schlief er während des Tages fast immer und verbrachte die Nächte allein in seinem Haus. Die wenigen Male, die John ihm nah kam, roch er Wein im Atem des Abtes. John hatte genug Alkoholiker begleitet, um zu wissen, dass Mercer einen schlimmen Rückfall erlitten hatte.
Er versuchte, etwas von Bruder Nicholas zu erfahren, während sie zusammen im Garten arbeiteten, aber der alte Mann konnte kaum drei Worte vernünftig aneinanderreihen und deshalb die merkwürdigen Vorgänge im Kloster nicht erklären. Dank Mercer musste John die schwersten Arbeiten ausführen und gleichzeitig auf den alten Mönch aufpassen, der es gut meinte, aber nicht nur geistesschwach, sondern auch ein bisschen schwerhörig war, was John bald auf die harte Tour herausfand.
»Brauchen ein Warnschild«, sagte Nicholas eines Nachmittags zu ihm. Seine Robe war voller grau-grüner Farbspritzer. »Frische Farbe.«
Zwei Stunden zuvor hatte John ihm einen Eimer und eine Wurzelbürste gegeben und ihn angewiesen, die lebensgroße Statue des heiligen Franziskus von Rom vor der Kapelle gründlich zu säubern.
»Was für Farbe?« Er blickte auf die Wurzelbürste in Nicholas’ Hand, die ebenfalls in grüne Farbe getaucht war, und als er zu der Stelle rannte, wo sich die Brüder versammelten, stellte er fest, dass die Statue des heiligen Franziskus jetzt grau-grün war.
Nicholas stellte sich neben ihn und deutete darauf. »Grün, hast du gesagt. Mach die Statue des heiligen Franziskus grün. Für Irland.« Er nickte zufrieden. »Gute Farbe.«
John machte die harte Arbeit nichts aus und auch die Kopfschmerzen nicht, die Nicholas ihm manchmal bereitete. Es gab ihm das Gefühl, für seine Unterbringung zu arbeiten, und der Job bei der Zeitarbeitsvermittlung in Kentucky war viel schlimmer gewesen. Er ging sogar zu den Andachten in der Klosterkapelle, obwohl er nur zusah und nicht daran teilnahm. Mercer nahm nie an den Mahlzeiten teil und sagte nichts dazu, dass John die Robe zugunsten von bequemen Arbeitsklamotten verschmähte.
Mercer benutzte die Brüder auch, um sich John vom Leib zu halten, wie zum Beispiel, als John nach der Abendandacht um ein Gespräch mit dem Abt bat, weil er Ersatz für die Gartengeräte kaufen wollte, die Bruder Nicholas entweder zerstört oder unbrauchbar gemacht hatte.
»Ich werde deine Bitte an den Abt weitergeben, sobald er aufwacht«, sagte Bruder Ignatius. »Könntest du in der Zwischenzeit bitte in der Küche den Abwasch erledigen? Bruder Rupert fühlt sich nicht gut.«
John ging in die Küche, in der sich dreckige Töpfe und das Geschirr vom Frühstück und vom Mittagessen stapelten – als hätte man alles extra für ihn aufgehoben. Es gab keine Geschirrspülmaschine im Kloster, deshalb verbrachte John die nächsten drei Stunden mit den Händen im Schmutzwasser. Als er endlich fertig war, hatten die Brüder die Kapelle verlassen und widmeten sich wieder ihren jeweiligen Aufgaben, und Ignatius erklärte ihm, der Abt habe das Kloster verlassen, um einige kirchliche Angelegenheiten zu klären.
Die Geheimniskrämerei ließ John ernsthaft darüber nachdenken, vom Kloster fortzugehen. Er schuldete der Kirche nichts;
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