Darkyn: Für die Ewigkeit (German Edition)
…
Nein . Jayrs Gedanken wurden zu spitzen Fallgittern, die auf das Bild hinabstürzten. Ich will das nicht sehen.
Sie wünschte, sie könnte ihre unanständigen Gedanken allein auf ihre Fantasie schieben, aber sie wusste genau, wie ihr Meister Frauen beglückte.
Jayr verfügte da über Erfahrungen aus erster Hand.
Es hätte nicht passieren dürfen. Nicht dort, nicht während die Schlacht nur ein Feld neben ihnen tobte. Nicht einem Mädchen, das fast ihr ganzes Leben in einem Kloster eingesperrt gewesen war. Nicht einem Krieger, der sterbend in ihren Armen lag.
Jayr war Ende Juni in dem Dorf Bannockburn angekommen, nur einen Tag, bevor die Armee König Edwards II . die alte Römerstraße heraufkam, um sich an der Furt des Dorfes zu versammeln. In den Hügeln hatte sich eine Rebellengruppe der Schotten, die nur halb so groß war wie die englische Armee, bereits nördlich der Schlucht verschanzt, wo das schmale Tiefland zwischen den Sümpfen und den Hügeln ihnen einen Vorteil verschaffte. Jayr hatte versucht, das Dorf zu verlassen, aber die Schotten hatten alle Wege durch den Wald mit Barrikaden aus Ästen und Bäumen sowie gut getarnten Fallgruben versperrt. Ein alter Mann im Dorf hatte ihr gesagt, dass weder sie noch die Engländer Robert Bruce umgehen könnten.
Selbst jetzt kam es ihr unmöglich vor, dass so viele Männer in nur zwei Tagen gestorben waren. Jayr erinnerte sich noch an die langen Stunden, die sie im Rübenkeller des Wirtshauses ausgeharrt hatte und dem donnernden Herannahen der englischen Kavallerie und den barbarischen Schreien der schottischen Kämpfer gelauscht hatte, die sich zu einem Schiltron, einer für die Schotten typischen viereckigen Formation von Speerträgern, zusammenschlossen und alle aufspießten, die sich ihrer Wand aus viereinhalb Meter langen Speeren näherten.
Der Wirt kam immer wieder mit Neuigkeiten vom Schlachtfeld. Die Schotten hielten der Übermacht der englischen Armee stand. Die englischen Bogenschützen waren durch die Schlucht gekommen und feuerten ihre Pfeile zu früh ab; sie töteten Hunderte ihrer eigenen Kavalleristen, die sich vor der vorrückenden schottischen Infanterie zurückzogen. Als die Schotten unter dem Pfeilhagel wankten, kam Robert III. Keith, Marischal von Schottland, aus seinem Versteck in den Wäldern und führte fünfhundert Reiter ins Feld, um die Bogenschützen zu zerstreuen.
Verwirrung unter den englischen Generälen, hieß es später, sorgte genauso für die Niederlage wie die Kampfkraft der Schotten.
Jetzt, wo sie nicht länger befürchteten, dass die Engländer in das Dorf einfallen würden, warfen der Wirt und seine Frau Jayr raus und verriegelten die Tür vor ihr. Sie ging von Tür zu Tür, aber ihr englischer Akzent sorgte dafür, dass sie keine neue Zuflucht fand. Während die Schotten näherkamen und ihre Feinde in Richtung Schlucht trieben, ging sie in den Sumpf und durchquerte ihn, hielt auf den dichtesten Teil des Waldes zu. Dort würde sie sich verstecken müssen, bis die Schlacht vorbei war.
Sie musste eine letzte Wiese überqueren, bevor sie den Waldrand erreichte, und in deren Mitte stieß sie auf den Rand einer Fallgrube.
Anders als die in den Wäldern war diese Grube kleiner und tiefer und war gerade erst ausgehoben worden. Sie ging um das Loch herum, als sie einen Mann stöhnen hörte.
»Lass mich nicht allein hier, Mädchen.«
Mit seinem blutroten Haar und den merkwürdigen blauen Tattoos im Gesicht hatte der Schotte ausgesehen wie ein Dämon, der aus der Hölle heraufschaute. Aber das merkwürdige Strahlen seiner Augen erlosch, und die riesige, zerfetzte Hand, die er zu ihr hinaufstreckte, zuckte vor Schmerz und Erschöpfung.
Jayr war keine Närrin. Sie konnte nicht in eine Fallgrube zu einem sterbenden Mann springen, der dreimal so groß war wie sie und gerade die letzten zwei Tage damit verbracht hatte, ihre Landsleute umzubringen.
Doch sie tat es.
Die Tür schwang in ihrem Rücken auf und brachte Jayr fast zu Fall. Luft, die schwer nach Heide roch, strömte aus dem Zimmer, und sie drehte sich herum und sah Saras verträumtes Gesicht, während sie aus dem Gemach kam.
»Hey, Mädchen.« Die Brünette gähnte, als sie vorbeiging. »Wir sind fertig für heute Nacht.«
»Ihr seid fertig?« Jayr glaubte, dass Byrne nur die beiden anderen wollte – vielleicht war er ein bisschen müde – , aber Candace und Ellie folgten Sara, und die Tür schloss sich.
»War mein Lord nicht zufrieden mit euch?«, fragte Jayr,
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