Darkyn: Im Bann der Träume (German Edition)
peinlich gewesen und aufregend und weit jenseits der ziemlich jämmerlichen Erfahrungen, die sie mit Männern gemacht hatte. Entweder habe ich sehr viel Fantasie, oder ich vermisse Sex mehr, als ich dachte.
Jema zog ihrem Spiegelbild eine Grimasse, hielt jedoch erschrocken inne, als ihr bewusst wurde, was sie da tat. Sie sah kaum je in den Spiegel. Und jetzt betastete sie ihre eigenen Brüste und machte Faxen, nur weil sie irgendeine dumme weibliche Version eines feuchten Traums gehabt hatte.
Spiegel sind nicht meine Freunde.
Mit vorsichtigen Schritten kehrte sie ins Schlafzimmer zurück und nahm sich Sachen aus dem Schrank, die sie zur Arbeit tragen konnte. Eines der Hausmädchen musste irgendeinen konzentrierten Lufterfrischer versprüht haben; es lag noch immer ein intensiver Gardenienduft im Raum.
Jema atmete genüsslich ein. Wie gut, dass ich den Duft mag . Aus irgendeinem Grund versetzte er sie in Hochstimmung. Sie musste Micki fragen, was es war, damit sie etwas davon mit ins Museum nehmen konnte. Ihr Büro konnte eine Erfrischung sehr gut gebrauchen.
Sie hasste es, zu spät zur Arbeit zu kommen – alle ignorierten sie dann absichtlich, weil sie sich wie die Tochter der Chefin benahm –, aber es war besser, als im Haus zu bleiben und sich anzuhören, wie ihre Mutter die Breite und Tiefe ihrer imaginären Brustschmerzen beschrieb. Das konnte sie sich jeden Tag anhören. Außerdem wollte sie Luisa noch vor dem Wochenende sehen. Da sie ohnehin schon zu spät kam, konnte sie genauso gut auf dem Weg zur Arbeit noch beim Krankenhaus vorbeifahren.
Wenn sie sich sehr viel Mühe gab, dann konnte sie die blauen Flecke wahrscheinlich vergessen und auch die Tatsache, dass es in ihrem Zimmer roch wie in einem Treibhaus.
Sie hörte Daniel und ihre Mutter in der Bibliothek miteinander reden, als sie auf dem Weg nach unten dort vorbeikam. Sie war versucht, ihren üblichen Lauschposten einzunehmen, um abzuschätzen, wie die Dinge drinnen aussahen, aber plötzlich war sie es leid, die Stimmungsschwankungen der anderen auszuspionieren. Sie klopfte einmal und trat ein.
»Guten Morgen. Ich habe ein bisschen verschlafen.« Sie blickte von Daniel zu ihrer Mutter. »Hey. Ihr zwei seht gut aus.«
Meryl trug etwas, das Jema als ihre Lieblingssachen erkannte, einen Faltenrock und eine Seidenbluse in Perlweiß, die ihrer Haut nicht alle Farbe entzog wie die anderen schneeköniginnen-weißen Outfits. Daniel war mit seiner Tweedjacke und der gebügelten dunkelblauen Hose adrett gekleidet wie immer, doch er trug auch noch einen guten Schlips, der von einer kleinen goldenen Caduceus-Krawattennadel gehalten wurde.
»Fühlst du dich nicht gut?«, fragte ihre Mutter sofort. »Es passt gar nicht zu dir, so spät zu fahren. Du solltest heute zu Hause bleiben.«
»Mir geht es fantastisch. Ich kann es kaum erwarten, zur Arbeit zu fahren; ich muss ein Geheimnis lüften. Aber das ist ja mein Job.« Jema grinste, als sie den großen Stapel Dokumente bemerkte, der auf dem Schreibtisch ihrer Mutter lag. »Wo wir gerade davon sprechen – ihr habt mir nicht verraten, warum ihr gestern Abend so lange weg wart. Ist alles okay mit dem Familienvermögen?«
Meryl zuckte zurück, als hätte Jema ihr ins Gesicht gespuckt, und Daniel wich ihrem Blick aus. Es war eine so unerwartete Reaktion, dass Jema lachte.
»Es ist doch alles in Ordnung, oder?«, fragte sie vorsichtiger.
»Natürlich ist es das.« Meryl erholte sich zuerst, und zwar gründlich. »Daniel hat mich zu einem Herzspezialisten gebracht, und die Tests haben länger gedauert als erwartet.«
Daniel räusperte sich und scharrte mit den Füßen. »Wir sollten die Ergebnisse nächste Woche haben.«
Hatten die beiden ein schlechtes Gewissen ? Jema hätte fast gefragt, aber dann erinnerte sie sich, dass nächste Woche ihr Geburtstag war. Ihre Mutter feierte ihn nie groß, aber diesmal war es ein Meilenstein – man hatte ihr immer gesagt, sie hätte Glück, wenn sie dreißig würde. Tja, ich hab’s geschafft, und wenn ich mich weiter von Vollkornmuffins und zuckerfreien, laktosefreien Joghurts ernähre, dann schaffe ich es vielleicht sogar bis fünfunddreißig . »Sagt mir Bescheid, wenn ihr Genaueres wisst. Wir sehen uns heute Abend. Ich komme wahrscheinlich nicht allzu spät.«
Jema besuchte Luisa gerne morgens. Abends konnte das Krankenhaus ein bisschen unheimlich sein, vor allem, wenn das Licht in den Gängen gedimmt wurde. Heute ging sie in den Kiosk, um für Luisas Zimmer einen
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