Darkyn: Versuchung des Zwielichts (German Edition)
schweigen und eine Art bizarre Komplizin in dieser Sache sein, vielleicht würde er sie ihr geben. Wenn nicht, dann hatte Grace sicher seine Briefe aufgehoben. So oder so.
»Nein, ich werde hierbleiben, bis ich sicher bin, dass es dir gut geht.« Michael Cyprien nahm eine Karte aus seiner Tasche und legte sie auf den Couchtisch neben den Aktenkoffer. »Ich bin unter dieser Nummer zu erreichen. Au revoir .«
Sie atmete erst wieder, als sich die Tür hinter ihm schloss. Dann rannte sie zum Telefon und lief auf dem Weg gegen den Couchtisch. Der Aktenkoffer fiel zu Boden, wo das Gewicht die einfachen Schlösser aufschnappen ließ. Sie musste die Bündel mit Geld nicht zählen, die herausfielen, um zu wissen, dass es viel war.
Vier Millionen Dollar in bar.
Die Limousine hatte Michael Cyprien vom Flughafen zu Alexandra Kellers Haus gebracht und von dort zu einem privaten Anwesen am Lake Michigan. Der Fahrer, ein schweigsamer Deutscher in Uniform, der das Auto so geschickt lenkte, wie er einst das Schwert für einen vergessenen Kaiser geschwungen hatte, sagte wenig, um ihn abzulenken.
Fahr zurück. Fahr zurück und hol sie. Sie gehört dir.
Michael widerstand dem Drang, genau das zu tun. Die Ärztin war nicht tot oder in Gefahr, durch den Kontakt mit seinem Blut zu sterben. Und sie war auch nicht mehr entrückt, wenn sie es überhaupt je gewesen war. Das Einzige, was verhindert hatte, dass ihre Erinnerungen zurückkamen, war ein letzter Rest von Philippes Zwangbann und Michaels Löschung ihres Erinnerungsvermögens gewesen, die er leicht hatte aufheben können. Sie war in Sicherheit, heil und menschlich. Irgendwie hatte sie während der vergangenen Woche Wahnsinn, Katatonie und Tod abgeschüttelt.
Allein. Von selbst.
Der Anblick und die Geräusche Chicagos huschten an den Fenstern vorbei, während er die Möglichkeiten abwog. Was Alexandra Keller gelungen war, lag jenseits seiner Erfahrungen. Ihre Existenz widersprach sowohl der menschlichen Medizinwissenschaft als auch der Überlieferung der Darkyn, und die Konsequenzen für sie würden auf beiden Seiten brutal sein. Vor allem von denen, die immer noch glaubten, die Darkyn seien auf ewig verflucht.
Was ist sie für uns? Für mich?
Michael merkte erst, dass das Auto angehalten hatte, als der Fahrer seine Tür öffnete. Er blickte auf die schlichten Linien des modernen Gebäudes, das eher wie ein ausladendes Versuchslabor als wie ein Zuhause wirkte, und stieg aus.
Valentin Jaus, der Suzerän des Chicagoer Jardins , wartete am Eingang seines Hauses. Der kleine, schlanke Mann trug lässige, moderne Kleidung, die seine militärische Haltung jedoch nicht verbarg. Flankiert wurde er von vier großen Bodyguards mit ausdruckslosen Gesichtern, von denen Michael wusste, dass sie alle exzellent ausgebildet und diszipliniert sein würden. Ihr Meister erwartete Perfektion von seinen Männern und drillte sie, bis sie präzise Todesmaschinen waren. Die fünf Männer warteten schweigend, während Michael auf sie zuging.
»Seigneur Cyprien.« Jaus knallte die Hacken zusammen und neigte den Kopf, wie es nur ein Österreicher tun konnte, ohne lächerlich auszusehen.
Michael atmete den leichten Kamelienduft ein. »Ich bin noch nicht Seigneur, aber ich danke Euch, Suzerän Jaus.« Er hatte den Chicagoer Jardin zuvor noch nie persönlich besucht. »Vergebt mir meine überstürzte Ankunft.«
»Ihr seid hier immer willkommen.« Jaus deutete auf den Eingang, an dem zwei weitere Wachen standen.
Michael bewunderte das Innere des Anwesens, das spartanisch und in einem sterilen, minimalistischen Stil eingerichtet war. Die Farben Stahlgrau und Schwarz, die Jaus bevorzugte, erinnerten ihn an die Industrien, die die Darkyn zuerst bewogen hatten, nach Chicago zu kommen. Wo es Fabriken gab, gab es Mensche n – genug für die Darkyn, um sicher, gut genährt und anonym zu leben. Die englischen Kyn waren nach Westen gezogen, während die französischen in den Süden wanderten, aber die Österreicher und Deutschen waren geblieben, und ihre Gemeinschaft florierte. Neben New Orleans war Chicago einer der ältesten und reichsten ihrer amerikanischen Außenposten.
Natürlich mussten auch sie mit einigen Schwierigkeiten fertig werden. Der alte Suzerän, ein Deutscher namens Sheltzer, war Anfang des Zweiten Weltkrieges verhaftet und verhört worden. Jeder mit einem deutschen Namen oder Akzent war damals Freiwild gewesen, aber Sheltzers merkwürdiges Verhalten hatte die Aufmerksamkeit eines
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