Darling, fesselst du schon mal die Kinder?: Das heimliche Tagebuch der Edna Fry
bringen.
Zeit für eine zweite Tasse Tee. Dann bin ich so weit.
Vielleicht noch eine Tasse. Damit ich dann wirklich aus allen kreativen Rohren feuern kann.
Vielleicht habe ich zu viel Ruhe und Frieden. Das bin ich einfach nicht gewohnt. Am besten schalte ich einfach das Radio ein, dann hab’ ich eine Geräuschkulisse, vor der ich mich richtig konzentrieren kann. Ich probier’ mal diesen neuen Sender aus. O herrlich, Bryan Adams …
Infinity Number One FM ist echt total hilfreich. Da werden nur Singles gespielt, die in den Charts mindestens zwei Monate lang ganz oben standen, was definitiv für Qualität bürgt und bedeutet, dass jede einzelne Platte auf der Playlist mit ihrem halben Dutzend Nummern ein echter Klassiker ist. Whitney Houston ist beispielsweise die perfekte Begleitung für eine Fünf-Minuten-Terrine, die bekommt man nie über.
Hurra! Aus heiterem Himmel hat mich die Inspiration überkommen. Ich wusste doch, dass das wie am Schnürchen klappen würde. Endlich habe ich einen Titel. Sogar zwei. Keinen blassen Dunst, woher mir die plötzlich zugeflogen sind. Jetzt muss ich mich nur noch für einen davon entscheiden – »I Will Always Love Soup« oder »All The Spam That I Need«?
11. Oktober, Dienstag
Stephen sollte längst auf seiner Fensterputztour sein, aber er hat seinen Eimer vergessen. Und seine Leiter. Und das Aufstehen.
12. Oktober, Mittwoch
Welch ein Abend: Lyrikkurs und die Weltpremiere meines existentiellen Meisterwerks. Und die Premiere der Werke meiner Kurskollegen. Ich muss gestehen, dass ich eine winzige Spur nervös war, als ich an die Reihe kam. Schließlich hatte ich sehr viel Zeit, seelische Selbstbefragungund Tee in mein Werk investiert. Aber als echter Profi – in der Herangehensweise, wenn schon nicht der Vergütung – gab ich mir einen Ruck, stand auf, räusperte mich und begann …
Ich glaube, ich darf behaupten, dass ich Eindruck gemacht habe.
13. Oktober, Donnerstag
Man fasst es nicht! Der
Daily Herald
veranstaltet einen Lyrik-Wettbewerb! Angesichts der Reaktionen, die mein Gedicht gestern Abend im Kurs ausgelöst hat, hätte daszu keinem besseren Zeitpunkt kommen können. Es hat doch eindeutig ein größeres Publikum verdient. Warum sollten Tausende von Menschen darauf verzichten müssen, ein so geniales und originelles Werk wie »Bohemien-Spam zum Tee« zu lesen? Ich reiche es sofort ein! Der Ruhm winkt!
14. Oktober, Freitag
Habe heute Morgen umgehend einen Anruf von der Redakteurin beim
Daily Herald
bekommen. Sie sagte, meine Einsendung habe zwar große Vorzüge, bedauerlicherweise sähe man sich aber außerstande, sie beim Lyrikwettbewerb zu berücksichtigen, weil »ihr Plagiatscharakter zu offenkundig« sei. Ich sagte, ich verstünde nicht, was sie meine, und sie faselte irgendwas über die Queen, irgendeinen Freddie und Merkur. Die Arme hat eindeutig zu viel Druckerschwärze gepichelt. Ich wollte schon angewidert den Hörer auf die Gabel knallen, da fragte sie, ob ich ihrer Zeitung stattdessen ein Interview über mein Zusammenleben mit »dem großen Stephen Fry« geben könne. Sie behauptete, ihre Leser würden das rasend interessant finden. Ich sagte, ich wüsste ja nicht, was an meinem Stephen so groß wäre und ob ich ihren Lesern irgendwas Interessantes erzählen könnte, aber an mir solle es nicht scheitern, und da sagte sie, sie würden am Montag einen Reporter vorbeischicken. Komische Frau.
15. Oktober, Samstag
Stephen schlafwandelt wieder. Es ist schon erstaunlich – jeden Abend schafft er es spätestens vor der letzten Runde in den Pub.
16. Oktober, Sonntag
Ich hab’ Stephen tausendmal gesagt, er soll in der Badewanne nicht singen und gleichzeitig das Tanzbein schwingen, aber auf mich hört ja keiner: Im Hahn verklemmt liegt er jetzt da mit seinem hohen Zeh.
17. Oktober, Montag
Ein faszinierender Nachmittag. Kurz nach dem Mittagessen tauchte der Reporter vom
Daily Herald
auf. Anscheinend war er von der langwierigen Geburt des ersten Albino-Eisbären im örtlichen Zoo aufgehalten worden. Er war ein sehr elegant gekleideter junger Mann und offensichtlich wahnsinnig intelligent. Er machte mir Komplimente zum Haus und zu meiner Vanillecreme. Wir schwatzten stundenlang – das heißt ich schwatzte, und er kritzelte so viel wie möglich in sein kleines Notizbuch. Er stellte mir alle möglichen Fragen, die meisten zu Stephen, obwohl es mir meistens gelang, ihn auf das Thema meines
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