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Darling, ich bin deine Tante Mame! - Roman

Titel: Darling, ich bin deine Tante Mame! - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag
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Aussicht, St. B. für immer hinter mir zu lassen und den Sommer in Europa zu verbringen, wirkten wie ein Amphetamin.
    Nachdem ich einige Wochen mehr Zeit außerhalb als innerhalb des Schulgeländes verbracht hatte, ohne dass etwas Schlimmeres passiert wäre, als dass ich bei Vergil einschlief, merkte ich, wie leicht es eigentlich war, zu entkommen, und ich bedauerte, dass ich nicht schon viel früher auf die Idee gekommen war, ein abwechslungsreicheres und erfüllteres Leben zu führen. Das Glück war mir so lange treu, dass ich sogar etwas unvorsichtig wurde. An dem Abend, an dem ich beim Bridge mit Reizen dran war und einen Groß-Schlemm machte, das Gebot doppelte, Rekontra gab– verwundbar also–, war es bereits später als vier Uhr, als ich zurück in die Schule kam. So hundemüde war ich, dass ich mir nicht einmal die Mühe gab, meine Tarnkleidung unter der Matratze zu verstecken, und als ich durch das Sechs-Uhr-Geläut geweckt wurde, stand, in seinem schmuddligen Baumwollflanell-Schlafanzug, ungläubig auf mein Tweedjackett und meinen Binder herabblickend, niemand anders als Babcock junior vor mir.
    » Wo hast du die denn her? « , wollte er wissen.
    » Was? «
    » Die Klamotten. Unpassende Kleidung, das sind mindestens fünfzig Tadelpunkte. Darüber solltest du dir im Klaren sein. «
    Mit einem Handstreich fegte ich Juniors Brille vom Nachttisch und schob sie mit dem Fuß unters Bett. » Meine Fresse, wo hast du bloß wieder dein Nasenfahrrad gelassen, Jury « , sagte ich. » Du siehst ja schon Gespenster. «
    Als er seine Brille gefunden hatte, lag meine Tarnkleidung an ihrem Platz unter der Matratze, und ich trug stattdessen wieder meinen St.-Boniface-Blazer. » Mensch, Junior « , sagte ich, kaum waren seine trüben Augen wieder hinter dicken Linsen auf mich gerichtet, » man muss sich ja Sorgen um dich machen. Du hast Halluzinationen. Geh mal zu Onkel Doktor auf die Krankenstation und lass dich untersuchen. «
    Junior war zwar nicht sehr helle, andererseits auch nicht blöd. Er sah mich komisch an und begab sich unter die kalte Dusche. In Zukunft musste ich vorsichtiger sein.
    Besser wäre es gewesen, ich hätte noch am selben Tag mit dem Theater Schluss gemacht. Es war ein herrlicher Frühlingsabend– Sterne und der Mond leuchteten taghell, und die Grillen auf den Wiesen zirpten wie verrückt–, viel zu schön, um ihn mit einem Mädchen wie Agnes zu vergeuden, die weit im neunten Monat war. Aber Dienst ist Dienst. Grimmig trabte ich die Straße entlang, Agnes hatte sich untergehakt und watschelte in einem schrillen, kirschroten, mit einem schmuddeligen Sträußchen künstlicher Callablüten verzierten Umstandskleid neben mir, als ich das unverkennbare Dröhnen des Autos des Direktors vernahm.
    Jeder in Apathy konnte die Rostmühle meilenweit gegen den Wind heraushören. Dr. Cheevey, der Direktor von St. Boniface, hatte den Nash 1926 erstanden, und er war viel zu geizig, ihn gegen ein neues Auto in Zahlung zu geben oder mal in den Rat eines Fachmanns zu investieren. Stattdessen ließ er uns Tadelpunkte abarbeiten, indem wir seinen Wagen waschen oder den Motor neu einstellen durften, so dass der Nash nach zehnjähriger Pflege durch seine Schüler eher wie ein Mähdrescher und nicht wie ein Auto klang.
    Agnes und ich näherten uns gerade einer Kurve, als ich die Schrottbüchse hörte, und nach dem Radau, den sie machte, musste sie ein ziemliches Tempo drauf haben. » Entschuldigen Sie, Agnes « , sagte ich, » aber wir müssen uns mal eben verdrücken. «
    Während Agnes über ihren Zustand jammerte, half ich ihr, höflich wie ich war, hinunter in den Straßengraben zu steigen. Dann setzte ich selbst zum Sprung an, doch in dem Moment bog der Wagen um die Kurve. Irgendwie verlor ich den Halt und stürzte kopfüber in den Graben. Ich landete weich, und ein grässliches, lang gezogenes » Uff! « war zu hören, genau in dem Augenblick, als der Nash vorbeifuhr.
    » Agnes! « , rief ich erschreckt. » Ist Ihnen auch nichts passiert? Sind Sie verletzt? «
    » Sie haben mich überhaupt nicht verletzt, Patrick « , wimmerte sie. » Ich bin hier drüben, an dem Durchlass. Gottchen, ich bin so oft verletzt worden in meinem Leben, da wäre es jetzt auch egal, ob ich tot bin oder nicht. Erst dieser Brian, der mich weggelockt hat, und… «
    » Patrick! « , keuchte eine Stimme. » Patrick Dennis! «
    Ich schaute unter mich, zu Boden, und da war Mr. Pugh.
    » Mister Pugh! « , stieß ich hervor und fuhr einigermaßen

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