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Darling, ich bin deine Tante Mame! - Roman

Titel: Darling, ich bin deine Tante Mame! - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag
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veranstaltest? « , sagte ich. » Du hast alles Geld der Welt. Du könntest Agnes in der besten Privatklinik unterbringen und dort mit den Ärzten und Schwestern in Ruhe abwarten und dafür sorgen, dass alles gut verläuft. Und? Tust du das, was am vernünftigsten ist? Nein! Du schleppst sie in dieses gottverlassene Nest, setzt sie direkt der Schule und Dwight Babcock junior vor die Nase. Du kennst dich kein bisschen mit Kindern aus, ich noch weniger, erwartest aber, dass ich aus diesem Schulgefängnis ausbreche und dich von vorne und hinten bediene: nach Boston fahre, Pastete und Trüffel einkaufe, den vierten Mann beim Bridge abgebe, Besorgungen mache und auch noch jeden Tag mit Agnes Gassi gehe wie mit einem… «
    » Paris « , sagte Tante Mame. » Paris, Rom, London, Wien, Cannes, Nizza, Monte Carlo, Venedig… «
    Ich unterbrach meine Tirade. » Und wie soll ich der Schule entkommen, Tante Mame? Ich werde dort auf Schritt und Tritt… «
    » Unsinn, mein Lieber « , sagte sie leichthin und kippte ihren Cognac. » Jeder kann entkommen, wenn er wirklich will. Bei Miss Rushaway habe ich kaum eine Nacht im Schlafsaal verbracht, und am Smith war ich immer bis in die Puppen unterwegs. Ich habe einfach nur den stummen Diener für die Uniform aus dem Schrank genommen, ihn in mein Bett gelegt und bin am Regenrohr heruntergerutscht… «
    » Zufällig habe ich keinen stummen Diener in meinem Kleiderschrank. Ich habe nicht mal einen Kleiderschrank. Nur der blöde Babcock junior, der mich bespitzelt und… «
    » Neapel, Capri, Mailand, Firenze– so heißt Florenz, mein Lieber– Deauville… «
    » Tante Mame, ich kann ja nicht mal das Hotel betreten ohne einen Passierschein. Du hast doch gesehen, wie der Zimmerwart… «
    » Das habe ich schon bedacht, Patrick. Siehst du das aufgerollte Seil mit den Knoten drin? Nein, da drüben am Fenster. Ich habe nämlich festgestellt, dass das hier in dieser Provinzherberge als Feuerleiter benutzt wird. Du brauchst dich nur unter mein Fenster zu stellen und zu pfeifen, und ich lasse das Seil für dich herunter, damit du heraufklettern kannst. Wenn du wieder gehen darfst… «
    » Das ist zwei Stockwerke hoch! «
    » Ausgezeichnetes Training für Arme und Schulter, Darling. «
    » Ich habe mir schon so viele Tadel eingehandelt, dass der Fluraufseher… «
    » Antwerpen, Brüssel, Ostende, Athen… «
    » Tante Mame, ich… «
    » Also dann, bis morgen, Darling. Drei Uhr und keine Sekunde später. Hier, ich lasse das Seil für dich herunter. « Damenhaft trippelte sie zum Fenster.
    Mit Schwung setzte ich mich aufs Fensterbrett und schaute hinunter. » Ach, übrigens « , sagte ich, » für den Fall, dass ich Kontakt mit euch aufnehmen muss– unter welchen Namen seid ihr hier eigentlich gemeldet? «
    » Ach so, ja « , sagte sie. » Gut, dass du fragst. Für mich selbst habe ich mir was sehr Kluges einfallen lassen. Ich habe meinen Namen von Burnside auf Burns verkürzt, und meinen Mädchennamen benutze ich als Vornamen. Ich heiße also Mrs. Dennis Burns. «
    » Und Agnes? «
    » Agnes? Ach so, ja, Darling. Als wir uns eintrugen, kam ich einfach auf keinen passenden Namen für sie, deswegen habe ich den erstbesten genommen, der mir einfiel. «
    » Und welcher war das? «
    » Mrs. Patrick Dennis. «
    In null Komma nichts war ich unten auf dem Boden.
    Die nächsten drei Wochen waren die Hölle für mich. In der Schule lebte ich wie ein Verschwörer, außerhalb der Schule wie ein Flüchtling. Es war alles andere als ein Kinderspiel, aus St. Boniface abzuhauen. Abgesehen von den Anwesenheitsappellen tagein und den Schlafzimmerkontrollen tagaus, gab es auch ein hoch kompliziertes Spitzelsystem von Seiten der Lehrer und eine so genannte Schülerpatrouille, ein halb offizielles Organ, das sich aus den unbeliebtesten Mitschülern zusammensetzte, die begierig auch noch die kleinsten Verstöße meldeten. Ein Jahr an der St. Boniface Academy, und man war fit für ein Leben in einem Polizeistaat.
    Babcock junior war auch ständig um einen herum. Seit meinem ersten Tag in St. B. teilten wir ein Zimmer, nicht, weil wir uns gut leiden konnten, sondern weil sein Vater, mein Treuhänder, mich unter Beobachtung haben wollte. Er hätte keinen besseren Informanten finden können als seinen Sohn. Junior war ein Speichellecker und ein Tugendbold, ein Feigling, eine Klatschbase und ein Betrüger. Er litt unter periodisch auftretender Bindehautentzündung und lebenslänglicher Akne. Er roch wie ein

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