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Darling

Darling

Titel: Darling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanna Hartmann
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Haus.
    Doch es blieb still. Bis auf Fuzzi, der im ersten Stock aufgeregt bellte, knurrte und an einer Tür kratzte.
    Anneliese kehrte in den Flur zurück. Auf dem Beistelltisch neben der Garderobe stand das Telefon. Der Anrufbeantworter war ausgeschaltet. Karl müsste also zu Hause sein.
    Mühsam erklomm sie die steile Treppe hinauf in den ersten Stock. Die Häuser im Kuhwald waren alle gleich eng und geduckt gebaut. Auch der Zuschnitt der Häuser in der Siedlung war überall identisch. Im ersten Stock gab es nur zwei Schlafzimmer, ein größeres und ein kleineres, und auf der anderen Seite vom Flur das Badezimmer. Wer handwerklich begabt war, baute unter dem Dach die Bodenkammer für weitere Kinder oder zum Hobbyraum aus.
    Anneliese grübelte. Wo mochte Karl hingegangen sein? Vielleicht war er zum Arzt gegangen und sie hatte ihn, weil sie verschlafen hatte, einfach nur verpasst?
    Fuzzi tobte wie ein Berserker vor der verschlossenen Schlafzimmertür.
    Anneliese drückte die Klinke herab und prallte zurück. Heiße, stickige Luft schlug ihr entgegen. Die Heizung war auf mindestens 25 Grad hochgedreht.
    „Karl? Schläfst du?“, fragte sie vorsichtig ins abgedunkelte Zimmer hinein. Ohne eine Antwort abzuwarten, knipste sie das Licht an. Anneliese erschrak zu Tode. Leichenblass lag ihr Nachbar auf dem zerwühlten Bett. Als sie ihn berührte, spürte sie seine Leblosigkeit.
    „Oh mein Gott“, entfuhr es ihr. „Nein, nein! Karl!“
    Sie schüttelte ihn. Eine lange graue Haarsträhne löste sich von seinem Kopf und fiel über sein graues Gesicht. Anneliese schnappte fassungslos nach Luft. Nur jetzt nicht übergeben, dachte sie. Eilig lief sie die Treppe hinab zum Telefon und wählte mit fliegenden Fingern den Notruf. Dann spürte sie, wie ihre Beine ihr den Dienst versagen wollten. Mit letzter Kraft schleppte sie sich in die Küche auf einen Holzschemel und brach in Tränen aus.

24
    „Ja, hallo? Wer ist da?“
    Adrian zuckte, als er Claras Stimme durch die Gegensprechanlage hörte.
    „Der Taxifahrer“, antwortete er so gefasst, wie er nur konnte. Für einen Moment war es still. Dann hörte er das Summen des Türöffners.
    „Dritter Stock.“
    Innen sah das Treppenhaus des heruntergekommenen Mietshauses deutlich moderner und freundlicher aus, als er von außen vermutet hätte. Clara öffnete die Tür. Sie war ungeschminkt und wirkte im Vergleich zur letzten Nacht sichtlich angespannt.
    „Sie haben gestern etwas verloren.“
    Adrian zog das Amulett aus seiner Hosentasche. Die silbernen Ringe und der Engelsflügel klimperten an dem dünnen Lederband. Clara schaute ihn mit großen Augen erstaunt an. Dann griff sie hastig nach dem Schmuck. Doch sein Reflex war besser.
    „Sie schulden mir eine Erklärung“, forderte Adrian und stellte den Fuß in die Tür.
    Clara zuckte zusammen. Doch dann gewann ihre Selbstbeherrschung wieder die Oberhand.
    „Es war ein Unfall. Das wissen Sie“, fuhr sie ihn schroff an. Als Adrian keine Anstalten machte, ihr das Schmuckstück auszuhändigen, öffnete sie die Tür.
    „Kommen Sie rein. Dann können wir über das, was gestern Nacht geschehen ist, reden.“
    Adrian folgte ihr in ein ausgesprochen modern und geschmackvoll eingerichtetes Wohnzimmer. Die teuren Möbel passten überhaupt nicht zu dem abgewirtschafteten Mietshaus.
    „Setzen Sie sich.“
    Clara bot ihm mit einer lässigen Handbewegung einen Platz auf der breiten bequemen Ledercouch an.
    „Etwas zu trinken? Wasser? Kaffee?“
    Adrian schüttelte den Kopf. Dann musterte er die Frau im schwarzen Rollkragenpullover und der eng geschnittenen Jeans. Die dunklen, frisch gewaschenen Haare umspielten ihr markantes Profil, in dem die graublauen Augen alle anderen Gesichtszüge dominierten.
    „Hören Sie“, lenkte sie verbindlich ein, „es war ein Unfall.“ Adrian lachte kurz und trocken auf.
    „Ein Unfall? Machen Sie Witze? Das war kein Unfall, sondern mindestens Totschlag“, stellte er eisig fest. „Wir gehen jetzt zusammen zur Polizei und erzählen, was vergangene Nacht im Niederräder Klärwerk passiert ist.“
    Clara schluckte. Dann brach es unvermittelt aus ihr heraus.
    „Patricia würde noch leben, wenn Sie gestern Abend nicht zu spät gekommen wären!“
    Adrian fühlte sich wie ein Boxer nach einem unerwarteten Tiefschlag und rang nach Luft.
    „Das ist das Allerletzte!“
    Wütend sprang er von der Ledercouch auf.
    Clara senkte ihre Stimme und schaute über Adrian hinweg aus dem Fenster. „Das Mädchen hatte

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