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Darling

Darling

Titel: Darling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanna Hartmann
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elf, zwölf Mal klingeln. Doch Karl ging nicht dran, und auch der Anrufbeantworter sprang nicht an. Langsam wurde Anneliese nervös. Irgendwas war nicht in Ordnung, denn der Taxifahrer schaltete immer, wenn er aus dem Haus ging, den Anrufbeantworter ein, um für die Wünsche seiner Stammkunden rund um die Uhr erreichbar zu sein, das wusste sie.
    Auf dem Weg durch die Küche nahm sie den Zweitschlüssel von Karls Wohnung vom Brett. Er hatte ihr nach dem Tod seiner Mutter einen Haustürschlüssel gegeben, damit sie putzen konnte, wenn er Schicht hatte. Reine Vertrauenssache, hatte er ihr versichert. Und Anneliese erfüllte den Job mit allergrößter hausfraulicher Sorgfalt. Sie war Karl Blum dankbar, nicht nur, weil er ihr die Gelegenheit gab, ihre Rente etwas aufzubessern, sondern auch, weil er ihr das Gefühl vermittelte, nützlich zu sein. Manchmal, wenn sie morgens Fuzzi in den Vorgarten ließ, reichte Karl ihr die schon gelesene Tageszeitung über den Zaun und plauderte über dies und das, was ihn gerade so bewegte. Anneliese hatte schon Karls Mutter gut gekannt. Er hatte sie trotz seiner anstrengenden Schichten aufopfernd bis zu ihrem Tode vor drei Jahren gepflegt. Karl ist wirklich ein guter Mensch, dachte sie. Allein schon deshalb, weil er immer so freundlich und zuvorkommend grüßte. Irgendwie schade, dass so ein anständiger Mann keine passende Frau findet, die ihn heiratet.
    Der Regen wollte heute Morgen einfach nicht aufhören. Leichtes Frösteln ergriff die resolute Nachbarin. Anneliese griff energisch zu ihrer rosa Angora-Strickjacke und trat vor die Tür, um bei ihrem Nachbarn nach dem Rechten zu sehen.

21
    „Hier, die ersten Fakten über unsere Wasserleiche.“
    Stefan Weber legte drei eng beschriebene Seiten Papier auf Ediths Schreibtisch.
    „Ach übrigens, Dr. Ullrich hat heute Nachmittag um vier Zeit für das Ergebnis der Obduktion. Kommst du mit ins Institut für Rechtsmedizin?“
    Edith nickte und überflog den Bogen.
    „Keine Vermisstenmeldung?“ Stefan schüttelte den Kopf.
    „Was ist mit der Kleidung?“
    „Kaufhausware. Die Schuhe sind von Street & Shoes. Nichts Besonderes.“ Edith stutzte.
    „Woher weißt du, dass die Schuhe von Street & Shoes sind?“ Stefan hob ein Foto aus einem Stapel frischer Abzüge und pinnte die Vergrößerung an die Wand.
    „Schau. Anscheinend hat die Tote die Stiefeletten gerade erst gekauft. Unter dem linken Schuh klebt noch das eingerissene Etikett. Außerdem sind die Sohlen nicht abgelaufen.“
    Edith schaute auf das Foto der Schuhe.
    „Wie viele Schuhgeschäfte von dieser Kette gibt es in Frankfurt?“, fragte sie Stefan.
    Er schaute sie konsterniert an.
    „Och nö, Edith. Das ist nicht dein Ernst, oder?“
    „Hast du einen besseren Plan?“
    Edith schaute den Kollegen fragend an.
    „Es sind ja bestimmt nur vier, fünf Geschäfte in Frankfurt. Ich kenne das auf der Zeil, dann gibt’s noch eins im Nord-WestZentrum und eins im Hessen-Center. Schau mal nach, ob das alle sind oder ob wir welche vergessen haben. Und vielleicht beziehst du, um sicherzugehen, auch Offenbach mit ein“, schlug sie versöhnlich lächelnd vor. „Nimm ein Foto von dem Mädchen mit. Vielleicht kann sich ja eine der Verkäuferinnen an sie erinnern? Und ich brauche die Videoaufzeichnungen der vergangenen 48 Stunden von allen Filialen von Street & Shoes. Okay? Wir sehen uns dann heute Nachmittag in der Pathologie.“
    Silke Müller schaute Stefan Weber sehnsüchtig nach, als er sichtlich genervt das Büro verließ.
    „Möchten Sie ihn begleiten?“, fragte Edith die Sekretärin süffisant, die puterrot anlief.
    „Frau Müller, Herr Weber hat einen dienstlichen Auftrag. Er geht nicht zum Vergnügen bei Street & Shoes shoppen.“
    Edith blickte genervt über ihre Lesebrille, die ihr das Aussehen einer strengen Englischlehrerin verlieh. Dann überflog sie die Zeugenaussage des Mannes, der die Leiche gefunden hatte.
    Es war offensichtlich, dass er nichts mit dem ertrunkenen Mädchen zu tun hatte.
    Überhaupt gab es wenig ergiebige Spuren. Denn der starke Regen der vergangenen Nacht hatte das Mainufer komplett aufgeweicht. Edith schaute auf ihre verdreckten Lederhalbschuhe. Die roten Stiefeletten auf dem Foto sahen dagegen aus wie geleckt. Nur nass, aber nicht schmutzig. Edith lehnte sich zurück. Die Tote war nicht am Mainufer zur Griesheimer Schleuse gelaufen und dann ins Wasser gefallen. Sie musste weiter mainaufwärts, in Goldstein oder Niederrad oder vielleicht sogar schon in

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