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Darling

Darling

Titel: Darling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanna Hartmann
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meinen Dreh übernommen, weil ich zu spät war.“
    Ihr Satz durchfloss ihn wie flüssiges Eis. Für einen Moment sackte er zusammen.
    „Oh“, brachte er nur heraus.
    Mit der linken Hand machte die Frau eine wegwerfende Handbewegung.
    „Vergessen Sie’s. Vorbei. Es ist nicht zu ändern. Sie können nichts für den wahnsinnigen Zeitdruck beim Aufund Abbau der Anlagen für die Videos. Dadurch passieren eben auch Fehler.“
    Clara zuckte mit den Schultern.
    Adrian schluckte. Der Tod als Webfehler im System, das war makaber. Betroffen stand er auf und ging zur Tür.
    „Ich fahre dann mal zur Polizei.“
    „Nein!“
    Clara sprang auf und stellte sich ihm in den Weg. Er roch ihr Parfüm. Wie in der vergangenen Nacht war er für einen Moment irritiert.
    „Geben Sie mir mein Amulett zurück. Es gehört Ihnen nicht.“ Hart und energisch forderte Clara die Rückgabe ihres Schmucks. Adrian schaute sie wortlos an. Dann legte er den silbernen Engelsflügel auf den polierten Lacktisch. Wie eine Ertrinkende griff sie nach dem Lederband. Sichtlich erleichtert atmete sie auf.
    „Wie viel kostet es, damit Sie den Vorfall auf sich beruhen lassen? 2000 Euro? 5000 Euro?“
    Adrian zuckte. In ihm stieg ein Zorn hoch, der sich kaum bändigen ließ.
    „Ich bin nicht käuflich!“ Clara lachte spöttisch.
    „Jeder Mensch hat seinen Preis.“
    Adrian zögerte. Ihre klare, überlegene Stimme ließ ihn erneut den Blick senken. Unschlüssig stand er vor der Frau.
    „Hören Sie, es war wirklich ein Unfall. Wenn Sie jetzt zur Polizei gehen, wird Patricia davon auch nicht wieder lebendig“, insistierte Clara.
    Adrian wich ihrem Blick aus.
    „Haben Sie Angst ums Geschäft? Um die Darling-Produktion?“, fragte er provozierend.
    Für den Bruchteil einer Sekunde spürte Adrian, dass er den wunden Punkt getroffen hatte.
    „Die Darling-Produktion ist mein Leben“, schoss es hart und unvermittelt aus ihr heraus. „Und mein Leben lasse ich mir von nichts und niemandem kaputt machen.“
    Unversöhnlich stand der Satz zwischen ihnen im Raum. Adrian sah verlegen auf den weißen Berberteppich, der jeden seiner Schritte schon beim Hereinkommen verschluckt hatte. Was sollte er ihr jetzt sagen? Dass er die Video-Trailer der Darling-Produktion im Internet gesehen hatte? Dass er gesehen hatte, wie Frauen Männer und Männer Frauen demütigten? Und dass diese Filme nach der vergangenen Nacht im Niederräder Klärwerk in ihm ausgesprochen gemischte Gefühle ausgelöst hatten?
    Als ob sie Gedanken lesen könnte, schaute Clara ihn mit großen Augen an.
    „Ich setze nur in Bilder um, was andere Menschen sich nicht trauen, offen auszusprechen. Mehr ist es nicht.“
    „Scheint zumindest eine ertragreiche Geschäftsphilosophie zu sein.“
    Adrians Kritik klang zynisch.
    „Sie sollten nicht so selbstgerecht urteilen“, erwiderte Clara mit bebender Stimme. „Der Lack der Zivilisation ist äußerst dünn. Menschen, die ihre Obsessionen virtuell ausleben, sind mir lieber als Menschen, die sich im realen Leben an Partnern oder Kindern vergehen.“
    Adrian blieb die Luft weg.
    „Verstehe ich das richtig? Sie sind also eine Art moderne Mutter Teresa. Nur in einem anderen Geschäftsbereich? Herzlichen Glückwunsch!“, ätzte er.
    Clara musterte ihn mitleidig.
    „Kommen Sie runter von Ihrem hohen Ross. Was glauben Sie, wie viele Leute sich heutzutage solche Filme ansehen, um von ihrem unmenschlichen Alltag zu entspannen? Die meisten Menschen leben in so brutalen Jobund Beziehungskorsetts, da ist das, was ich produziere, im Vergleich harmlos.“
    „Dummes Marketing-Geschwätz als Rechtfertigung!“, konterte Adrian kühl. „Hören Sie, wir reden doch nicht über den Verkauf von Rheumadecken auf Butterfahrten! Sie produzieren Gewalt, um Gewalt zu verhindern? Das ist nicht normal, das ist krank! Einfach nur krank!“
    Adrian schob Clara energisch zur Seite und ging zur Tür. Doch sie klammerte sich an seinen Arm.
    „Warten Sie. Lassen Sie uns heute Abend noch mal reden, okay? Kommen Sie um zehn zurück. Dann reden wir in Ruhe über das, was vergangene Nacht passiert ist.“
    Eindringlich schaute sie ihn an.
    „Und danach können Sie immer noch zur Polizei gehen.“ Ihre Worte ließen Adrian zögern.
    „Was sind schon ein paar Stunden mehr oder weniger nach so einer Nacht wie gestern?“
    Ihre graublauen Augen blickten ihn herausfordernd an. Adrian nickte.
    „Okay. Zehn Uhr. Aber danach gehen wir zur Polizei.“ Dann zog er die Wohnungstür hinter sich

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