Darling
nassen blonden Haarsträhnen und der verschmierten Wimperntusche heran und wanderte danach langsam über ihren Körper. Erst jetzt realisierte Adrian den Engelsflügel, der auf Patricias rechten Beckenknochen tätowiert war.
„Alle Mädchen der Darling-Produktion, die wir nach einem erfolgreichen Casting professionell vermarkten, tragen den Engelsflügel als Zeichen der Company“, sagte Clara, die seinen Blick auf das Tattoo bemerkt hatte. Stolz schwang in ihrer Stimme mit.
Adrian fielen die Cowboy-Filme seiner Kindheit ein.
„So brandmarkt man höchstens Rinder auf texanischen Farmen“, stellte er empört fest.
Clara lachte kurz und heftig auf.
„Die Mädchen sind eine riesige Investition für die DarlingProduktion. Wir kümmern uns um sie. Ärztliche Versorgung, Wohnung, Kleidung, Umgangsformen, Zahnarzt, Gehalt … Das Tattoo ist der Preis für unsere hochprofessionellen Serviceleistungen.“
Ihr geschäftsmäßiger Business-Ton nervte.
„Aha. Und ein Steuerberater, der Ihren Schauspielerinnen erklärt, wie sie beim Finanzamt die … ähm … Werbungskosten absetzen können, ist im Rundum-Sorglos-Paket der Darling-Produktion natürlich all inclusive“, bemerkte Adrian sarkastisch.
Plötzlich beschlich ihn das Gefühl, in einem furchtbar schlechten Film eine ziemlich beschissene Nebenrolle zu spielen.
„Machen Sie das aus. Sofort!“, herrschte er Clara an.
In dem Moment klingelte ihr Handy im Wohnzimmer. Clara schaute ihn spöttisch an und stoppte abrupt den Film.
„Denken Sie immer daran, Mr. Right. Der Lack der Zivilisation über dem Tier ist verdammt dünn.“ Dabei umspielte ein ironisches Lächeln ihre Mundwinkel. „Wir können unser Gespräch ja im Wohnzimmer weiter vertiefen und die Geschichte auf ein intellektuelles Niveau heben. Wenn Sie möchten. Interessiert es Sie nicht, ob Masochismus aus dem Wunsch nach Überlegenheit oder aus einem Unsicherheitsgefühl heraus entsteht?“
Claras Augen versprühten verletzenden Spott. Adrian fühlte sich abgekanzelt.
„Sie werden in Ihrem Leben noch begreifen, dass nur die wenigsten Menschen wirklich fähig sind, ihre Gefühle konsequent ihrem Verstand unterzuordnen. Und wer seine Gefühle immer unter Kontrolle hat, ist entweder Autist oder seelenloser Roboter“, dozierte sie unerbittlich.
Adrian trottete zögernd hinter Clara ins Wohnzimmer. Suchend schaute sie sich nach ihrem Handy um, das mittlerweile aufgehört hatte zu klingeln. Als sie die Rückruftaste drückte, hatte Adrian das Gefühl, dass es Zeit war zu gehen. Nachdenklich griff er nach seiner Jacke und wollte plötzlich nur noch eins. Weg. Weg aus dieser Wohnung. Weg aus dieser bizarren Welt. Und weg aus diesem fürchterlichen Film, der Teil seines Lebens geworden war. Annika, dachte er mit gesenktem Kopf. Für einen Moment erschien sie ihm als Rettungsanker in diesem Sumpf von Gewalt, Pornografie und Käuflichkeit von Gefühlen.
Als er die Wohnungstür öffnete, stand Clara auf einmal lautlos neben ihm.
„Hier“, sagte sie und löste den Verschluss ihrer Halskette. Dann drückte sie ihm den silbernen Engelsflügel in die Hand.
„Für Sie. Als Zeichen unserer Verbundenheit. Lassen Sie uns morgen weiterreden. Wenn Sie mir Ihre Handynummer geben, rufe ich Sie an.“
Adrian fühlte, wie sein Widerstand zerstob. Clara erschien ihm tausendmal wandelbarer als ein Chamäleon. Zwischen unbarmherziger Härte und charismatischer Anziehung lag weniger als der Wimpernschlag ihrer wundervollen Augen. Warum verdammt noch mal ließ er sich schon wieder auf sie ein? Adrian haderte zutiefst mit sich. Und diktierte Clara ohne zu zögern die Nummer von Enzos Nokia in ihr Handy.
Ohne sich umzudrehen, zog er die Tür hinter sich ins Schloss. Als er ins Taxi stieg, atmete er tief durch. Es war kurz vor Mitternacht.
38
„Das ist eine riesige Sauerei“, schimpfte Edith und schmiss wutentbrannt die BILD-Zeitung auf Stefan Webers Schreibtisch.
„Frankfurt – Hauptstadt des Verbrechens“, prangte in großen Buchstaben auf der ersten Seite. Direkt unter der Unterschrift „Ein Tag – zwei Morde! Und unsere Polizei tappt im Dunkeln!“ das Foto der Kommissarin, die ziemlich ungelenk mit ihren Händen wedelte, so als ob sie lästige Fliegen verscheuchen wollte.
Stefan zuckte mit den Achseln und blätterte auf Seite drei. Fast die ganze Seite widmete der Boulevard den beiden Mordfällen.
„Sie sind nicht wirklich vorteilhaft abgebildet“, stellte die Sekretärin nüchtern fest. Ediths
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