Darling
mal ein … ähm … Kunde. Er hat damals Werbefilme produziert. Kartoffelchips, Babynahrung, Duschgel. Alles, was an Mann und Frau gebracht werden muss, hat er in Fernsehund Kinospots umgesetzt. Und irgendwann festgestellt, dass das Internet neue und günstige Vertriebswege für, … nennen wir es einmal ‚alternative’ Dienstleistungen eröffnet. Es war meine Idee, die Darling-Produktion zu gründen. Seitdem sind wir Partner.“
Adrian hörte Clara aufmerksam zu. Doch seine Gedanken schweiften von dem, was sie erzählte, immer wieder ab. Sie hätte ihm einen Beipackzettel für Rheumagenerika vorlesen können, und er hätte es erotisch gefunden. Es war ihre Stimme, die ihn faszinierte und ihn zum Kaninchen vor der Schlange degradierte.
„Solche Filme wie vergangene Nacht?“, fragte Adrian. Clara nickte.
„Die Darling-Produktion hat mit dem Schwerpunkt auf Waterbondage-Videos einen neuen, sehr erfolgreichen Fetisch für die Szene kreiert“, fuhr sie kühl und geschäftsmäßig fort.
„Es ist eine andere Sichtweise von BDSM“, stellte sie stolz fest und strich sich eine Haarsträhne, die sich aus ihrer hochgesteckten Banane gelöst hatte, lässig aus der Stirn.
„Hübsches Marketingblabla“, konterte Adrian unvermittelt. Clara lachte provozierend auf.
„Beginnt mit Ihrer empörten Entrüstung jetzt meine Lektion in punkto bürgerlicher Moral?“, fragte sie amüsiert.
Adrian schüttelte schweigend den Kopf und starrte auf den weißen Berberteppich vor seinen Füßen. Dann brach es unvermittelt aus ihm heraus.
„Wer schaut sich so einen kranken Film, wo eine Frau in einem überdimensionierten Aquarium wie ein zappelnder Goldfisch gequält wird, an?“, wollte er wissen.
Clara lächelte wie eine Sphinx.
„Ehrliche Frage, ehrliche Antwort?“
Adrian verschlug es den Atem, als sie sich lasziv zu ihm herabbeugte und ihm verschwörerisch ins Ohr flüsterte:
„Mehr, als Sie wahrscheinlich vermuten.“
Für einen Moment schloss er die Augen, weil ihr Parfüm seine Sinne betörte. Sein Verstand begann, einen aussichtslosen Kampf zu kämpfen.
„Wir wollten gestern nur noch die Szene mit der Streckbank im Klärwerk drehen, weil ein Kunde vom 49er Club genau diese Sequenz bestellt hat“, rechtfertigte sie sich. „Solche Szenen waren in den Agentenfilmen der sechziger und siebziger Jahre üblich. Angeblich soll die CIA ja das Waterboarding aus ihrem Repertoire an Foltermethoden verbannt haben. Aber es war lange eine gängige Verhörpraktik, die sogar George W. Bush nach den Terroranschläge vom 11. September 2001 gebilligt hatte. Menschenrechtler stufen diese Praxis, die einer Scheinhinrichtung gleicht, als Folter ein. Aber wenn es solche cineastischen Wünsche gibt, wird die Nachfrage von der Darling-Produktion befriedigt. So tickt halt das Business. Mein Part ist, die passenden Mädchen, die passenden Locations und die passende Musik für die Videos auszuwählen. Und wenn mir das Skript gefällt, stehe ich auch selbst vor der Kamera.“
Clara machte eine kurze Pause und schaute Adrian interessiert an.
„Unsere Filme sind sehr anspruchsvoll, mit echten Dialogen und einem authentischen Kontext. Wenn Sie jemals einen Film der Darling-Produktion gesehen haben, werden Sie mir bestätigen, dass alle Szenen ausgesprochen ästhetisch arrangiert sind“, stellte Clara tief überzeugt fest.
Plötzlich stand sie auf und setzte sich neben Adrian auf die Couch. Als sie ihre langen Beine mit den Lederstiefeln lässig übereinanderschlug, fing sein Puls an zu rasen.
Er schluckte.
„Entschuldigen Sie, aber solche Filme sind krank.“ Empört stellte er das Colaglas auf den Couchtisch.
Clara lachte und schaute ihn direkt an.
„Wie heißen Sie eigentlich?“
Adrian schluckte. „Baumann, Adrian Baumann“, antwortete er verlegen.
Clara nickte.
„Sie sind ein schöner, junger und gebildeter Mensch. Auch wenn das hier vielleicht Ihre Vorstellungskraft sprengt, aber es gibt im realen Leben mehr Menschen mit submissiven Neigungen, als Sie vermuten. Und viele dieser Menschen sind ausgezeichnete Führungspersönlichkeiten. Wissen Sie, das Entscheidende ist doch, ob jemand seine persönlichen sexuellen Interessen von seinem sonstigen sozialen Verhalten abgrenzen kann oder nicht“, dozierte sie kühl.
Adrian fühlte sich in eine Psychologie-Vorlesung an die Frankfurter Goethe-Universität versetzt.
„Ein Mensch mit dominanten Neigungen im Sexualverhalten muss im realen sozialen Leben nicht zwingend eine
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