Darling
dominante Persönlichkeit sein“, fuhr Clara ungerührt fort.
Adrian schauderte und griff nach seiner Jacke.
„Darf ich eine Zigarette rauchen?“, fragte er Clara. Sie nickte und zeigte zur Balkontür.
„So, wie Sie mich eben angesehen haben, sind Sie wohl fest davon überzeugt, sich immer und jederzeit unter Kontrolle zu haben“, lächelte Clara und griff unvermittelt nach Adrians Arm. „Der Lack der Zivilisation ist äußerst dünn. Betrachten Sie Bondage und SM einfach als eine Erweiterung Ihrer Sexualität. Sie setzen lediglich die sozialen Regeln des zwischenmenschlichen Umgangs durch eine gegenseitige Vereinbarung für einen genau definierten Zeitraum außer Kraft. Danach ist alles wieder so wie davor.“
Adrian schluckte.
„Ich komme mir vor wie in einer Vorlesung über die betriebswirtschaftlichen Vorteile des Sadomasochismus“, schmollte er. Doch seine Stimme klang wenig souverän, eher vorwurfsvoll und verunsichert.
„Liebe bereitet Schmerz“, lächelte Clara wissend.
„Oh, das ist jetzt aber ganz großes Kino!“ Erbost sprang Adrian hoch. „Und dabei sind Kollateralschäden wie der Tod von Patricia nicht immer zu vermeiden?“
Wütend schob er die Tür zum Balkon auf und zündete sich eine Marlboro an. Was verdammt noch mal machte er hier? Wenn er noch einen Funken Verstand hätte, würde er sich jetzt umdrehen und schnurstracks zur Polizei fahren, anstatt mit dieser Frau, die er noch nicht mal vierundzwanzig Stunden kannte, unverfänglich über Hardcore-Sexualpraktiken zu plaudern.
Adrian inhalierte tief und schnippte die Zigarette über das Geländer ins Dunkel. Als er sich umdrehte, war Clara im Flur verschwunden.
36
Hartnäckig klingelte das Telefon. Annika war zutiefst irritiert. Sie musste vor dem Fernseher eingeschlafen sein, denn ihr fehlte jegliches Zeitgefühl. Plötzlich sprang der Anrufbeantworter an, und sie hörte ihre Stimme.
„Hallo, hier sind Annika Seidenbiegel und Adrian Baumann. Wir sind leider nicht zu Hause. Bitte hinterlasst euren Namen und eure Telefonnummer. Wir rufen zurück.“
Dann piepste die Mailbox.
„Hallo Adrian, hier ist Sissi von der Taxizentrale. Ich muss dringend wegen Karl mit dir reden. Bitte ruf zurück.“
Dann knackte es in der Leitung.
Annika stutzte. Die rote Lampe blinkte hektisch. Es war offenbar schon das dritte Gespräch, das der Anrufbeantworter aufgezeichnet hatte. Vielleicht hatte Adrian ihr ja doch eine Nachricht hinterlassen? Annika spulte das Band zurück.
„Hallo Annika, hier ist Carola, ich wollte dich nur noch mal daran erinnern, dass wir uns heute Abend zum MarketingStammtisch im Lokalbahnhof verabredet haben. Die Mädels warten auf dich.“
Klack.
Annika verdrehte die Augen. Den monatelang geplanten Termin fürs Networking mit ihren früheren Kommilitoninnen hatte sie total verschwitzt. Sie seufzte und spulte weiter.
Der zweite Anrufer sagte gar nichts. Sie hörte nur ein tiefes Atmen, bevor wieder aufgelegt wurde. Seltsam, dachte Annika. Sie spulte zurück, doch die ISDN-Kennung des Anrufers war unterdrückt.
Dann löschte sie das Band und angelte sich ihr Handy aus ihrer Handtasche. Erschöpft wählte sie die Nummer von Carola, die nach dem dritten Klingeln abhob. Im Hintergrund war lautes Stimmenwirrwarr und Musik zu hören.
„Hey, wo bleibst du!“, schrie ihre frühere Studienkollegin ins Telefon. „Die Hälfte der Girls ist schon wieder gegangen!“
Annika holte tief Luft.
„Carola, ich schaffe es nicht. Ich bin total fertig. … Adrian hat mich verlassen.“
Hemmungslos schluchzte Annika ins Handy.
„Was? Wie? Was ist los? Warte, ich geh mal kurz raus.“ Annika hörte, wie Carola das Lokal verließ, denn im Hintergrund vernahm sie jetzt den Verkehrslärm vorbeifahrender Autos.
„Was ist los? Adrian hat dich verlassen? Warum denn das? Ihr seid doch das perfekte Paar?“
Carola war völlig überrascht.
„Carola, ich bin total fertig“, heulte Annika in ihr Handy. Sie schniefte und weinte.
„Baby, pass auf. Ich komm gleich bei dir vorbei, okay?“, versprach die Freundin, als sie hörte, wie verzweifelt Annikas Stimme klang. Dann legte sie auf.
37
Adrian schob die Tür zum Balkon zu. Dann schaute er sich suchend um. Wohin war Clara verschwunden?
„Hallo?“, rief er durch die Wohnung.
„Ich bin hier“, antwortete es aus dem breiten Flur, der die beiden Wohnungen im dritten Stock des Mietshauses miteinander verband. Aus einem der Zimmer drang Musik.
Als er durch die Tür trat, sah er
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