Darth Maul - Der Schattenjäger
moosähnliche Haar, schlimmer als derbreite, lippenlose Mundschlitz, der an einen Höhleneingang voller gelber Stalagmiten und Stalaktiten erinnerte, sogar noch schlimmer als die Nase mit zwei senkrechten Schlitzen als Nasenlöcher.
Die Augen waren definitiv das Schlimmste.
Das Wesen hatte nämlich keine. Von den schweren Wülsten unterhalb der abfallenden Stirn bis zu den hageren Wangen gab es nichts als diese Albinohaut. Hinter dieser Haut, wo die Augenhöhlen hätten sein sollen, konnte Lorn zwei eiförmige Organe erkennen, die sich ruhelos bewegten und sich unabhängig voneinander drehten. Hin und wieder wurden sie von dunkleren Farbtönen getrübt, als glitten unter der Haut Membranen über sie hinweg.
Lorn hatte in den vergangenen paar Jahren mit allen möglichen nichtmenschlichen Spezies zu tun gehabt. Man gewöhnte sich daran, auf den Straßen von Coruscant alle erdenklichen Geschöpfe zu sehen. Aber mit diesem Ungeheuer war irgendetwas auf schreckliche und obszöne Weise schief gegangen - mit diesem Wesen und den anderen seinesgleichen, denn inzwischen hatten sich Lorns Augen an das trübe Licht ange-passt, und er erkannte, dass es zumindest noch ein Dutzend, vielleicht mehr von ihnen gab, die in einem Halbkreis um ihn herumhockten.
Er wich noch weiter zurück, auf Fersen und Ellbogen - und das war nicht einfach, wenn man bedachte, dass sein Kopf sich immer noch groß genug für eine eigene Umlaufbahn anfühlte. Die Geschöpfe ihrerseits rückten nach, bewegten sich grotesk auf krummen Beinen und Knöcheln.
Lorn sah sich verzweifelt um, suchte nach I-Fünf und spürte, wie ein Schrei in seiner Kehle aufstieg. Er sah, dass Darsha Assant etwa zwei Meter von ihm entfernt auf dem schmutzigen Steinboden lag, und I-Fünf in derselben Entfernung auf der anderen Seite. Die Padawan schien bewusstlos zu sein, aber sie atmete, soweit er das feststellen konnte, normal. Er war nicht überrascht festzustellen, dass ihr Lichtschwert nicht mehr an ihrem Gürtel hing. I-Fünf lag mit dem Gesicht Lorn zugewandt, und Lorn konnte sehen, dass die Fotorezeptoren des Droiden dunkel waren. Man hatte ihn abgeschaltet.
Sie befanden sich in einem großen Raum, dessen Decke von Säulen gestützt wurde. Das Licht - das bisschen, das es gab -ging von diesen phosphoreszierenden Flechten aus, die die Wände bedeckten. Es sah aus wie auf einem Schrottplatz; überall lagen Maschinentrümmer herum. Und es stank wie in einem Schlachthaus.
Als er genauer hinsah, entdeckte er in dem technischen Müll die abgenagten Knochen verschiedener Spezies.
Lorn zog vorsichtig die Beine an. Sein Kopf kreischte immer noch wie ein corellianischer Kriegsfeen-Vogel, aber er versuchte, den Schmerz zu ignorieren. Wenn er I-Fünf erreichen und den Schalter an seinem Nacken betätigen könnte, würde der Droide wahrscheinlich mit diesen unterirdischen Schreckgespenstern kurzen Prozess machen können. Ihre Ohren schienen übernatürlich groß zu sein; zweifellos verließen sie sich überwiegend auf ihr Gehör, um sich in dieser Dunkelheit zu orientieren. Ein grelles Kreischen aus I-Fünfs Vokabulator, und sie würden alle zurück in die Schatten huschen, wo sie hingehörten.
Er war inzwischen relativ sicher, womit er es zu tun hatte, obwohl er dieses Wissen alles andere als tröstlich fand. Ganz im Gegenteil. Hin und wieder hatte er, nachdem er in der Unterwelt von Coruscant gelandet war, Gerüchte von humanoiden Geschöpfen gehört, die man Cthone nannte und die angeblich tief in den unterirdischen Labyrinthen der Planetenstadt hausten. Tausende von Generationen des Lebens im Dunkeln hatten sie ihrer Augen beraubt, hieß es. Angeblich verfügten sie über einen Rest technischer Kenntnisse, was das Elektroschock-Netz erklären würde, in dem Lorn und seine Begleiter gefangen worden waren.
Und angeblich waren sie Kannibalen.
Lorn hatte diesen Geschichten zuvor nie Glauben geschenkt. Er hatte angenommen, dass es einfach Geschichten waren, mit denen man ungezogene Kinder erschrecken wollte, ähnlich wie viele andere Legenden, die in den unteren Ebenen wie Pilze wucherten. Aber inzwischen war ihm klar, dass dieses Gerücht der Wahrheit entsprach.
Die Cthone kamen näher. Einer - oder eine; obwohl sie bis auf ein paar Lumpen um die Lendengegend nackt waren, war ihre Haut so schlaff, dass man kaum erkennen konnte, welches Geschlecht sie hatten - stellte sich zwischen Lorn und I-Fünf.
So geht es also zu Ende, dachte Lorn und empfand überraschend wenig Angst.
Weitere Kostenlose Bücher