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Darwin und die Götter der Scheibenwelt

Darwin und die Götter der Scheibenwelt

Titel: Darwin und die Götter der Scheibenwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett , Ian Stewart , Jack Cohen , Erik Simon
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einen akzeptieren, ohne den anderen zu akzeptieren. Kümmern Sie sich nicht darum, was ›Wirkung‹ ist. Es spielt hier keine Rolle. Wichtig ist nur der Unterschied zwischen den natürlichen Interpretationen dieser beiden logisch identischen Beschreibungen.
    Newtons Bewegungsgesetze sind lokale Regeln. Was ein Teilchen hier und jetzt als Nächstes tun wird, wird vollständig durch die Kräfte festgelegt, die hier und jetzt darauf einwirken. Es wird weder Voraussicht noch Intelligenz benötigt, nur das Befolgen der lokalen Regeln.
    Das Prinzip der kleinsten Wirkung hat einen anderen Stil: Es ist global. Es sagt uns, dass, um sich von A nach B zu bewegen, ein Teilchen irgendwie die Gesamtheit aller möglichen Wege zwischen diesen Punkten erwägen muss. Es muss die Wirkung ermitteln, die zu jedem dieser Wege gehört, und feststellen, auf welchem es die kleinste Wirkung hat. Diese ›Berechnung‹ ist nicht lokal, denn sie bezieht den gesamten Weg (die gesamten Wege) ein, und in gewissem Sinn muss sie ausgeführt werden, bevor das Teilchen weiß, wohin es soll . In dieser natürlichen Interpretation der Mathematik scheint das Teilchen also mit einer wunderbaren Voraussicht und mit Entscheidungsmöglichkeit versehen zu sein, mit einer Art rudimentärer Intelligenz.
    Was also ist es? Ein geistloses Klümpchen Materie, welches auf seinem Weg die lokalen Regeln befolgt? Oder eine quasi-intelligente Wesenheit mit riesiger Rechenkapazität, die über die Voraussicht verfügt, mit der sie aus allen möglichen Wegen, die sie hätte einschlagen können, exakt den einzigen auswählt, der die Wirkung minimiert?
    Wir wissen, welche Interpretation wir wählen würden.
    Interessanterweise ist das Prinzip der kleinsten Wirkung ein Analogon zu Feynmans Methode der Summenbildung über Ereignisgeschichten in der Optik. Die beiden sind sich wirklich äußerst nahe. Ja, man kann die Mathematik der Quantenmechanik so formulieren, dass daraus zu folgen scheint, dass das Licht alle möglichen Wege nimmt und sie aufsummiert. Aber man ist nicht verpflichtet, diese Beschreibung als die reale Physik der wirklichen Welt anzuerkennen, selbst wenn die Mathematik funktioniert.
    Die Anhänger der Vielen Welten erkennen diese Beschreibung an – sie treiben sie sogar noch viel weiter. Nicht die Geschichte eines einzelnen Photons, welches von einem Spiegel reflektiert wird, sondern die Geschichte des gesamten Universums. Dieses ist ebenfalls eine Summe aller Möglichkeiten – wobei man die Quantenwellenfunktion des Universums anstelle der dem Photon eigenen Lichtintensität verwendet –, sodass wir nach derselben Methode die Mathematik auf ähnlich dramatische Weise interpretieren können. Nämlich: Das Universum tut tatsächlich alles, was überhaupt möglich ist. Was wir beobachten, ist das, was geschieht, wenn man alle diese Möglichkeiten aufsummiert.
    Natürlich gibt es auch eine weniger dramatische Interpretation: Das Universum zieht seine Bahn, befolgt die lokalen Gesetze der Quantenmechanik und tut genau eines – was nur eben aus rein mathematischen Gründen der Summe von allem entspricht, was es hätte tun können.
    Welche Interpretation sagt Ihnen zu?
    Mathematisch gesehen ist die eine so ›richtig‹ wie die andere. Physikalisch jedoch enthalten sie sehr unterschiedliche Implikationen darüber, wie die Welt funktioniert. Wir wollen darauf hinaus, dass – wie im Fall des klassischen Teilchens – ihre mathematische Gleichwertigkeit einen nicht zwingt, ihre physikalische Wahrheit als Beschreibungen der Wirklichkeit anzuerkennen. Ebenso wenig, wie die Gleichwertigkeit von Newtons Bewegungsgesetzen mit dem Prinzip der kleinsten Wirkung einen verpflichtet, an intelligente Teilchen zu glauben, die die Zukunft vorhersagen können.
    Die Viele-Welten-Interpretation der Quantenmechanik ruht daher auf zweifelhaftem Grund, obwohl ihre mathematischen Fundamente untadelig sind. Doch üblicherweise wird diese Interpretation noch weitergehend präsentiert, und zwar unter Hinzufügung einer starken Dosis Narrativium. Genau das ist es, was die SF-Autoren anspricht, aber leider wird die Interpretation dadurch weit über die Bruchgrenze hinaus strapaziert.
    Für gewöhnlich erzählt man uns Folgendes: Zu jedem Zeitpunkt, da irgendeine Entscheidung zu treffen ist, teilt sich das Universum in eine Reihe von ›Parallelwelten‹ auf, in denen jede Wahlmöglichkeit wahr wird. Ja, in dieser Welt sind Sie aufgestanden, haben Haferflocken zum Frühstück gegessen

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