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Das 1. Buch Des Blutes - 1

Das 1. Buch Des Blutes - 1

Titel: Das 1. Buch Des Blutes - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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nicht fallen.
    Als er sich ausstreckte, um ihn zu schnappen, kippte der Schuh, mit dem Absatz voran, durch das Gitter und fiel in die Finsternis.
    Stephen stieß einen Verlustschrei aus, den er nicht hören konnte, Ach, könnte er nur dem Schuh beim Fallen lauschen und dabei die Sekunden seines Sturzes zählen. Und ihn dann auf dem Schachtboden endgültig aufschlagen hören. Zumindest wüßte er dann, wie weit die Fallinie bis zu seinem Tod war.
    Er konnte es nicht länger ertragen. Er wälzte sich auf den Bauch, stieß beide Arme durch das Gitter und schrie: »Ich komm’ auch! Ich komm’
    auch!«
    Unmöglich länger auszuhalten, das Warten auf seinen Fall, im Dunkel, im winselnden Schweigen. Er wollte bloß seinem Schuh hinterher, hinunter den dunklen Schacht, hinunter, hinunter zur Vernichtung und so dem ganzen Spiel ein Ende machen, ein für allemal.
    >Ich komm’! Ich komm’! Ich komm’!« kreischte er. Inständig, kniefälligbeschwor er die Schwerkraft. Das Gitter unter ihm bewegte sich.
    Irgend etwas war gebrochen. Ein Zapfen, eine Kette, ein Seil, etwas, das den Rost in Position hielt, war entzweigegangen. Keine waagrechte Lage mehr; schon rutschte er quer über das Gitterwerk, während er ins Dunkel hinauskippte.
    Mit eisigem Schock wurde ihm deutlich, daß er nicht mehr gefesselt, nicht mehr angekettet war.
    Er würde hinabstürzen.
    Der Mann wollte, daß er hinabstürzte. Der Böse - wie hieß er noch?
    Quake? Quail?Quarrel…
    Automatisch packte er den Rost mit beiden Händen, als dieser sich noch weiter vornüber neigte. Vielleicht wollte er seinem Schuh doch nicht hinterherstürzen? Vielleicht war das Leben, ein Augenblickchen mehr Leben, wert, sich daran festzuklammern…
    Das Dunkel jenseits der Rostkante war so tief. Und wer konnte erraten, was darin lauerte?
    In seinem Kopf vervielfältigten sich die Geräusche seiner Panik. Das Hämmern seines blutigen Herzens, das schnorchelnde Stottern seines Schleims, das trockene Raspeln seines Gaumens. Seine vor Schweiß schlüpfrigen Hände verloren allmählich den Halt. Die Schwerkraft wollte ihn. Sie machte ihre Ansprüche auf seine Körpermasse geltend: verlangte, daß er fiel. Einen Augenblick lang, während er über seine Schulter einen flüchtigen Blick auf den Schlund warf, der sich unter ihm öffnete, meinte er, er sähe Ungeheuer sich darinnen regen.
    Lächerliche, bescheuerte Wesen, roh hinskizziert, schwarzes Dunkel auf schwarzem Dunkel. Scheußliche Graffiti stierten scheel herauf aus seiner Kindheit und fuhren ihre Klauen aus, um nach seinen Beinen zu greifen.
    »Manu«, sagte er, als ihm die Hände versagten, und er wurde ins Grauen hineinbefördert.
    »Mami.«
    Das war das Wort. Quaid hörte es klar und deutlich, in seiner ganzen Banalität.
    »Mami!«
    Bis Steve dann auf dem Schachtboden auftraf, war es ihm absolut unmöglich geworden zu beurteilen, wie tief er gestürzt war. Im selben Moment, in dem seine Hände den Rost losließen und ihm bewußt war, daß die Dunkelheit ihn kriegen würde, zerkrachten ihm Sinn und Verstand. Das animalische Selbst überlebte, um seinen Körper zu entkrampfen, und ersparte ihm so bis auf unerhebliche Verletzungen bei dem Aufprall alles. Seine übrige Existenz, alles, bis auf die simpelsten Reaktionen, wurde zerschmettert, die Trümmer in die Nischen und Winkel seines Gedächtnisses geschleudert.
    Als das Licht kam, endlich, sah er auf zu der Person in der Mickymaus-Maske an der Tür und lächelte sie an. Es war ein Kinderlächeln, eins der Dankbarkeit für seinen komischen Retter. Er ließ sich von dem Mann bei den Knöcheln nehmen und aus dem großen runden Zimmer zerren, in dem er lag. Seine Hosen waren naß, und er wußte, er hatte sich im Schlaf schmutzig gemacht. Trotzdem, die Spaßmaus würde ihn küssen, bis es ihm besser ginge.
    Sein Kopf pendelte taumelig auf seinen Schultern, als er aus der Folterkammer gezogen wurde. Auf dem Boden neben seinem Kopf war ein Schuh. Und zwei oder zweieinhalb Meter über ihm war das Gitter, von dem er heruntergefallen war.
    Es war ohne jede Bedeutung.
    Er ließ sich von der Maus in einem strahlend hellen Zimmer hinset-zen. Er ließ sich von der Maus seine Ohren zurückgeben, obwohl er sie nicht wirklich wollte. Es war ulkig, die völlig stumme Welt zu betrachten, es reizte ihn zum Lachen.
    Er trank etwas Wasser, er aß etwas süßen Kuchen. Er war müde. Er wollte schlafen. Er wollte seine Mami. Aber die Maus schien nichts zu begreifen, also plärrte er los, stieß

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