Das 1. Buch Des Blutes - 1
prahlerische Affe, hin- und hergerissen zwischen Dschungel und Börse; nicht Phillipe, in seinem Wunsch nach ewiger Jugend; und sicher nicht die kalte Catherine, die nach dieser Nacht völlig allein sein würde. Nur er, niemand sonst.
Ihm war das Verbrechen zuzuschreiben, ihm die Schuld und ihm die Strafe.
Mittlerweile hatte er wieder etwas Gefühl in den Beinen, und torkelnd bewegte er sich zur Tür.
»Wollen Sie denn nicht bleiben?« fragte die Rothaarige.
»Dieses Wesen…« Er brachte es nicht über sich, das Tier beim Namen zu nennen.«
»Sie meinen Phillipe?«
»Er heißt nicht Phillipe«, sagte Lewis. »Er ist nicht mal menschlich.«
»Wie Sie meinen«, sagte sie und zuckte die Achseln.
Hinter ihm ergriff der Affe das Wort und sagte seinen Namen. Aber der kam diesmal nicht wie eine Art Grunz-Vokabel heraus, vielmehr traf der Primatengaumen Phillipes Modulation mit entmutigender Genauigkeit, besser noch als der begabteste Papagei. Es war Phillipes Stimme, absolut.
»Lewis«, sagte er.
Nicht bittend. Nicht fordernd. Nannte einfach, aus reiner Lust am Benennen, den Namen eines Artgenossen.
Die Passanten, die den alten Mann mühsam auf das Brückengeländer des Pont du Carrousel klettern sahen, gafften zwar, machten aber keinen Versuch, ihn am Springen zu hindern. Er schwankte einen Augenblick, als er sich ganz aufrichtete, und stürzte dann kopfüber in das schaumig aufgewühlte, wirbelnd dahintreibende Eiswasser.
Ein oder zwei Personen wanderten auf die andere Brückenseite, um zu schauen, ob ihn die Strömung erfaßt hatte. Richtig, so war es. Er stieg an die Oberfläche empor, sein Gesicht blauweiß und ausdruckslos wie das eines Babys. Dann schnappte irgendein vertrackter Strudel nach seinen Füßen und zog ihn in die Tiefe. Das zähe Wasser schloß sich über seinem Kopf und trieb weiter dahin.
»Wer war das?« fragte jemand.
»Wer weiß?«
Der Himmel war wolkenlos an diesem Tag. Der letzte Winterschnee war bereits gefallen, und das Tauwetter würde gegen Mittag einsetzen. Über Sacre-Cceur schwirrten Vögel, jubilierten im unvermuteten Sonnenlicht. Paris begann sich für den Frühling zu entkleiden; sein jungfräuliches Weiß war schon zu verdorben, um noch länger getragen zu werden.
Am hellen Vormittag machte eine junge Frau mit rotem Haar, eingehakt bei einem großen häßlichen Mann, einen gemütlichen Spaziergang zu den Stufen von Sacre-Coeur. Die Sonne segnete die beiden. Glocken läuteten.
Es war ein neuer Tag.
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