Das 1. Buch Des Blutes - 1
Schmerzensschrei, und der Nacken peinigte ihn, als wäre er von heißen Stricknadeln durchbohrt.
Die Marter wurde unerträglich; ihm kam der Gedanke, daß er in diesem traurigen Versteck sterben würde, während der Menschenaffe Liebe machte.
Das Mädchen seufzte, und Lewis sah wieder zum Bett hin. Der Affe hatte seine Hand zwischen ihren Beinen, und sie wand sich unter seinen eindringlichen Diensten.
»Ja, aah ja«, sagte sie immer wieder, während ihr Liebhaber sie völlig entblößte.
Es war zuviel. Das Schwindelgefühl hämmerte durch Lewis’ Großhirnrinde. War das der Tod ? Die Lichter im Kopf und das Gewinsel in den Ohren?
Er schloß die Augen, löschte den Anblick der Liebenden aus, ohne freilich den Lärm aussperren zu können. Ewig schien er anzudauern, drang ein in seinen Kopf, breitete sich aus darin. Seufzer, Gelächter, kleine Kreischlaute.
Dann endlich: Finsternis.
Lewis erwachte auf einer unsichtbaren Folterbank. Sein Körper war durch die Begrenzungen seines Verstecks gewaltsam verrenkt worden. Er schaute auf. Die Schranktür war offen, und der Affe starrte zu ihm herunter, wobei sein Mund ein Lächeln versuchte. Er war nackt, und sein Körper war fast zur Gänze rasiert. In der Furche seiner kolossalen Brust funkelte ein kleines goldenes Kruzifix. Lewis erkannte das Schmuckstück sofort wieder. Unmittelbar vor dem Krieg hatte er es für Phillipe auf den Champs Elysees gekauft. Jetzt kutschelte es sich in ein rötlich-oranges Haarbüschel. Die Bestie bot Lewis eine Hand, und automatisch nahm er sie. Der rauhhändige Griff zerrte ihn unter Solais Körper hervor. Seine Beine waren wie Gummi, seine Fußgelenke wollten ihn nicht tragen. Die Bestie hielt ihn fest und stützte ihn ab. Benommen und taumelig schaute Lewis in den Schrank hinunter, wo Solal lag, in Hockstellung zusammengekrümmt wie ein Baby im Mutterschoß, mit dem Gesicht zur Wand.
Die Bestie ließ die Leiche hinter der zugeworfenen Schranktür verschwinden und half Lewis zum Ausguß, wo er sich erbrach.
»Phillipe?« Verschwommen registrierte er, daß die Frau noch dawar, im Bett, gerade aufgewacht nach einer Liebesnacht.
»Phillipe, wer ist das?« Sie fingerte auf dem Tisch neben dem Bett nach Pillen herum. Die Bestie schlenderte hinüber und riß sie ihr aus den Händen.
»Ach… Phillipe… bitte. Möchtest du, daß ich auch mit dem da geh’ ?
Ich tu’s, wenn du’s möchtest. Nur gib mir die Pillen wieder.«
Sie machte eine Geste zu Lewis rüber. »Normalerweise geh’ ich nicht mit alten Männern.«
Der Affe knurrte sie an. Ihr Gesichtsausdruck veränderte sich, als hätte sie zum erstenmal eine leise Ahnung, was es mit dieser Type auf sich hatte. Aber der Gedanke war zu kompliziert für ihr drogenbenebeltes Hirn, und sie ließ ihn fahren.
»Bitte, Phillipe…« wimmerte sie.
Lewis sah den Affen an. Er hatte das Foto vom Kaminsims genommen. Sein dunkler Nagel lag auf Lewis’ Abbildung. Er lächelte. Er erkannte ihn wieder, obwohl doch gute vierzig Jahre das meiste Leben aus ihm herausgelaugt hatten.
»Lewis«, sagte er; ohne große Schwierigkeiten rollte ihm das Wort über die grauroten Lippen.
Zum Speien hatte der Alte nichts mehr im Magen, und zum Fühlen war das Schmerzensmaß bereits zu voll. Das war das Ende des Jahrhunderts, da mußte er auf alles gefaßt sein. Selbst darauf, von der rasierten Bestie, die bedrohlich vor ihm aufragte, als Freund eines Freundes begrüßt zu werden. Sie würde ihm nichts tun, das wußte er.
Wahrscheinlich hatte Phillipe dem Affen von ihrer gemeinsamen Vergangenheit erzählt und das Geschöpf dazu gebracht, Catherine und ihn selber genauso zu lieben, wie es Phillipe angebetet hatte.
»Lewis«, sagte es wieder und gestikulierte zu der Frau hinüber (die jetzt mit gespreizten Schenkeln auf dem Bett saß), bot sie ihm an als Lustobjekt.
Lewis schüttelte den Kopf.
Ein und aus, ein und aus, teils Fiktion, teils Realität.
So weit war es also gekommen; eine Menschenfrau als Angebot dieses nackten Affen. Es war das letzte, so wahr ihm Gott helfe, das allerletzte Kapitel in der Erzählung, die sein Großonkel begonnen hatte. Von der Liebe zum Mord und wieder zur Liebe zurück. Die Liebe eines Affen zu einem Mann. Er hatte sie hervorgerufen, mit seinen Träumen von fiktiven, ausschließlich der puren Vernunft gehorchenden Helden. Er hatte Phillipe dazu verleitet, die Geschichten einer verlorenen Jugend Wirklichkeit werden zu lassen. Er allein war daran schuld. Nicht dieser arme
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