Das 1. Buch Des Blutes - 1
Scheiße aus dem kleinen Rotzer geprügelt. Kacke, saublöde.
Jetzt fühlte er sich verantwortlich. Er packte Steve am Arm und schaffte ihn eilig über die Straße zu seinem Wagen hinüber.
»Steig ein!«
»Bring mich…«
»Ich bring dich heim, Burschi. Ich bring dich heim.«
Im Nachtasyl durchstöberten sie Steves Kleidung nach irgendwelchen Personalien, fanden keine, durchsuchten seinen Körper nach Flöhen, seine Haare nach Nissen. Der Polizist ging dann fort von ihm, worüber Steve erleichtert war. Er hatte den Mann nicht gemocht.
Die Leute im Asyl redeten über ihn, als ob er nicht im Zimmer wäre.
Redeten darüber, wie jung er sei; erörterten seinen Intelligenzgrad; seine Kleidung; seine Erscheinung. Dann gaben sie ihm einen Riegel Seife und zeigten ihm den Duschraum. Er stand zehn Minuten unter dem kalten Wasser und trocknete sich mit einem fleckigen Handtuch ab. Er rasierte sich nicht, obwohl sie ihm einen Apparat geliehen hatten. Er hatte vergessen, wie man’s machte.
Dann gaben sie ihm ein paar alte Kleidungsstücke; das gefiel ihm gut. So schlimme Leute waren sie gar nicht, auch wenn sie echt über ihn redeten, als ob er nicht da wäre. Einer von ihnen, ein stämmiger Mann mit einem angegrauten Bart, lächelte ihn an, als würde er einen Hund anlächeln.
Merkwürdige Kleider hatte man ihm da gegeben. Entweder zu groß oder zu klein. Alle Farben: gelbe Socken, schmutziges weißes Hemd, eine Nadelstreifen-Hose, die für einen Vielfraß gemacht worden war, ein abgetragener Pullover, schwere Stiefel. Sich Einmummen, das gefiel ihm gut: zwei Westen anziehn und zwei Paar Socken, wenn sie nicht hersahen. Umwickelt mit mehreren Lagen Baumwolle und Wolle - das hatte etwas Beruhigendes für ihn.
Dann ließen sie ihn gehen, mit einem Billet für sein Bett in der Hand.
Er hatte zu warten, bis der Schlaf saal aufgesperrt würde. Er war nicht ungeduldig wie manche von den Männern, die mit ihm in den Gängen lungerten. Viele von ihnen zeterten zusammenhangslos, ihre Beschuldigungen waren durchsetzt mit Obszönitäten, und sie spuckten sich gegenseitig an. Es verschreckte ihn. Er wollte nichts als Schlaf.
Sich hinlegen und schlafen.
Um elf Uhr sperrte einer der Wärter den Eingang zum Schlafsaal auf, und all die verlorenen, abgerissenen Männer marschierten hinterein-ander durch, um sich ein Eisenbett für die Nacht zu besorgen. Der Schlafsaal, der groß war und schlecht beleuchtet, stank nach Desinfek-tionsmittel und alten Leuten.
Den Blicken und fuchtelnden Armen der anderen verkommenen Wracks ausweichend, suchte sich Steve ein schlecht gemachtes Bett aus mit nur einer dünnen, hingeschlampten Decke darüber und legte sich zum Schlafen nieder. Rings um ihn husteten und brummelten und weinten die Männer. Einer sprach im Liegen seine Gebete und starrte dabei, auf seinem grauen Kissen, zur Decke. Steve fand das eine gute Idee. Folglich sprach er sein eigenes Kindergebet:
»Lieber Jesus, mild und lind,
Schau doch auf dies kleine Kind,
Neig dich meinem… Wie hieß es noch?
Neig dich meinem simplen Sinn,
Duld mich, daß ich bei Dir bin.«
Ja, daraufhin fühlte er sich besser; und der Schlaf, ein Balsam, war blau und tief.
Quaid saß in der Finsternis. Schreckensterror hielt ihn wieder umfaßt, schlimmer als je zuvor. Sein Körper war starr vor Angst; so sehr, daß er nicht mal aus dem Bett steigen und das Licht anknipsen konnte.
Noch dazu - was wäre, wenn dieses Mal, dieses Mal aller Male, der Schreckensterror keine Täuschung war? Wenn der Axtmann in Fleisch und Blut leibhaftig auf der Schwelle stünde ? Ihn angrinste wie ein Irrer, auf dem oberen Treppenabsatz tanzte wie der Teufel –
ganz der tanzende und grinsende, grinsende und tanzende Horror aus Quaids Träumen.
Nichts rührte sich. Kein Treppenknarren, kein Gekicher im Finstern.
Er war’s also doch nicht. Quaid würde morgen noch am Leben sein.
Sein Körper hatte sich jetzt ein wenig entspannt. Er schwang die Beine aus dem Bett und schaltete das Licht an. Das Zimmer war tatsächlich leer. Das Haus war still. Durch die offene Tür konnte er den Treppenabsatz sehen. Kein Axtmann dort. Natürlich.
Steve wurde von Geschrei wach. Es war noch dunkel. Er wußte nicht, wie lang er geschlafen hatte, aber seine Glieder schmerzten nicht mehr so arg. Er setzte sich halb auf, die Ellbogen auf dem Kissen, und starrte in den Schlafsaal, um zu sehen, worum es ging bei dem ganzen Aufruhr. Vier Bettreihen von seiner entfernt rauften zwei
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