Das 1. Buch Des Blutes - 1
ganz schön was los hinter der Linie. Alle Wettkämpfer machen sich langsam zum Start fertig. Ich kann Nick Loyer dort erkennen, er hat die Nummer drei, und er scheint wirklich in Hoch«
form zu sein. Bei seiner Ankunft hat er mir gestanden, daß er an Sonntagen normalerweise ausgesprochen ungern läuft, aber bei diesem Rennen hat er eine Ausnahme gemacht, selbstverständlich.
Schließlich ist es eine Wohltätigkeitsveranstaltung, und alle Einnah-men gehen an die Krebsforschung. Da ist auch Joel Jones, unser Goldmedaillen-Gewinner über 800 Meter, tritt an gegen seinen großen Rivalen Frank McCloud. Neben diesen Assen haben wir auch ein paar neue Gesichter. Mit der Nummer fünf den Südafrikaner Mal«
colm Voight, und, um das Feld zu vervollständigen, Lester Kinderman, er war der absolute Überraschungssieger beim Marathon in Österreich letztes Jahr. Und ich muß sagen, sie sehen alle fit und quicklebendig aus an diesem prachtvollen Septembernachmittag.
Hätten uns keinen bessern Tag wünschen können, was, Jim?«
Joel war aus schlimmen Träumen aufgewacht.
»Du bist gut, hör auf, dich verrückt zu machen«, hatte Cameron ihm eingeschärft.
Aber er fühlte sich nicht gut; er fühlte sich hundeelend in der Magengrube. Nicht das übliche Nervenflattern vor dem Rennen.
Daran war er gewöhnt, und mit dem Gefühl kam er durchaus zurecht.
Zwei Finger in den Hals und sich übergeben, er kannte kein besseres Mittel; es hinter sich bringen, und damit fertig. Nein, das war kein Nervenflattern vor dem Rennen oder etwas in der Art. Vor allem saß es tiefer, als ob sein Gedärm, bis in sein Innerstes, seinen Kern hinein am Kochen wäre.
Cameron zeigte kein Mitgefühl. »Es ist ein Wohltätigkeits-Rennen und nicht die Olympiade«, sagte er und nahm den Jungen scharf ins Visier. »Also sei nicht kindisch.«
DaswarCamerons Methode. Seine weiche Stimme war zum Schmeicheln wie geschaffen, wurde aber zum Schikanieren benutzt. Ohne diese Schikaniererei hätte es keine Goldmedaille gegeben, keine Beifall jubelnden Massen, keine bewundernden Mädchen. Eins der Bou-levardblätter hatte Joel zu Englands meistgeliebtem schwarzen Gesichtgekürt. Es tat gut, von Menschen, denen er nie begegnet war, wie ein Freund begrüßt zu werden; er genoß die Bewunderung, wie kurzlebig sie im Endeffekt auch sein mochte.
»Sie lieben dich«, sagte Cameron. »Weiß der Himmel, warum - sie heben dich.« Dann lachte er, wischte seine kleine Grausamkeit damit weg. »Du schaffst es, mein Sohn«, sagte er. »Zisch ab und lauf um dein Leben.«
Jetzt, im prallen Tageslicht, sah sich Joel das übrige Feld an und spürte wieder etwas mehr Auftrieb. Kinderman hatte Ausdauer, aber über mittlere Distanz keine Endspurtreserven. Und die Marathontechnik verlangte sowieso eine ganz andere Begabung.
Außerdem trug er wegen seiner extremen Kurzsichtigkeit drahtgefaßte Brillengläser, die so dick waren, daß sie ihm das Aussehen eines konsternierten Frosches gaben. Keine Gefahr von dieser Seite. Loyer.
Er war gut, aber dies hier war eigentlich auch nicht seine Distanz. Er war ein Hürdenläufer und gelegentlicher Sprinter. 400 Meter war sein Limit, und selbst dann ging es ihm nicht gerade blendend. Voight, der Südafrikaner. Na ja, viel Information über ihn gab es nicht. Nach seinem Aussehen zu urteilen offensichtlich ein fähiger Mann, und jemand, den man im Auge behalten mußte, einfach für den Fall, daß er plötzlich mit einer Überraschung herausrückte. Aber das wirkliche Problem des Rennens war McCloud. Joel war gegen Frank »Flash«
McCloud dreimal angetreten. Hatte ihn zweimal auf den zweiten Platz verwiesen, einmal hatten sich (zu seinem Leidwesen) die Positionen umgekehrt. Und Frankie Boy hatte einige Rechnungen zu begleichen, insbesondere die Niederlage bei der Olympiade; die Silberne hatte er gar nicht gern angenommen. Frank war der Mann, auf den man aufpassen mußte.
Wohltätigkeits-Rennen oder nicht, McCloud würde dabei sein Bestes geben, für die Massen und für seinen Stolz. Er war schon an der Linie, checkte seine Startposition, die Ohren beinahe buchstäblich gespitzt.
Flash war der Mann, ganz zweifellos.
Joel ertappte Voight einen Moment lang dabei, wie er ihn anstarrte.
Ungewöhnlich war das. Selten, daß Wettkämpfer vor einem Rennen einander auch nur flüchtig ansahen; war so etwas wie Schüchternheit.
Das Gesicht des Mannes war blaß, und sein Haaransatz wich bereits zurück. Er wirkte wie Anfang Dreißig, hatte aber eine
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