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Das 1. Buch Des Blutes - 1

Das 1. Buch Des Blutes - 1

Titel: Das 1. Buch Des Blutes - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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jüngere, magerere Figur. Lange Beine, große Hände. Ein Körper, der zu seinen Kopf irgendwie im Mißverhältnis stand. Als sich ihre Blicke trafen, sah Voight weg. Auf der feinen Kette um seinen Hals fing sich die Sonne, und das Kruzifix, das er trug, funkelte golden, während es unter seinem Kinn leicht hin und her pendelte.
    Auch Joel hatte seinen Glücksbringer bei sich; im Turnhosenbund verstaut. Eine Haarsträhne von seiner Mutter, die sie ein halbes Jahrzehnt früher, vor seinem ersten größeren Rennen für ihn gefloch-ten hatte. Im Jahr darauf war sie nach Barbados zurückgekehrt und dort gestorben. Ein großer Kummer. Ein unvergeßlicher Verlust.
    Ohne Cameron wäre er vor die Hunde gegangen.
    Cameron verfolgte die Vorbereitungen von den Stufen der Kathedrale aus. Er hatte vor, sich den Start anzusehen, dann mit dem Rad hinten um The Strand herumzufahren, um rechtzeitig am Ziel zu sein. Er käme dort locker vor den Wettkämpfern an, und über das Rennen könnte er sich per Radio auf dem Laufenden halten. Der Tag war ganz nach seinem Geschmack. Sein Junge war in bester Verfassung, Übel-keit hin oder her, und das Rennen war genau das Richtige, um den Burschen in Wettkampfstimmung zu halten, ohne ihn zu überlasten.
    Natürlich war das eine ganz schöne Strecke, über den Ludgate Circus, die Fleet Street entlang und am Temple-Bar-Komplex vorbei in The Strand, dann Ecke Trafalgar gleich wieder halblinks, die Whitehall hinunter zu den Houses of Parliament. Noch dazu auf hartem Straßenbelag. Aber Joel würde nur dabei lernen, und es brächte ihn ein bißchen unter Druck, was ganz hilfreich war. In dem Jungen steckte ein Langstreckenläufer, und Cameron wußte das. Ein Sprinter war er nie gewesen, dazu konnte er sein Schritt-Tempo nicht genau genug abstimmen. Er brauchte eine größere Distanz und Zeit, um in seinen Takt zu finden, zur Ruhe zu kommen und seine Strategie zu entfalten.
    Über 800Meter war der Junge ein Naturtalent: Seine Laufweise war ein Muster an Ökonomie, seinem Rhythmus fehlte verdammt wenig zur Perfektion. Aber darüber hinaus hatte er Courage. Courage hatte ihm das Gold eingebracht, und Courage würde ihn beim Endspurt immer wieder an die Spitze setzen. Genau das machte Joel zu etwas Besonderem. Renntechnische Wunderbubis tauchten reihenweise auf und verschwanden wieder, aber wenn zu so einer Begabung nicht noch Courage dazukam, dann zählte sie fast gar nichts. Voll auf Risiko zu gehen, wenn sich das Risiko lohnte, zu laufen, bis man blind war vor Schmerz, das war das Außergewöhnliche, und Cameron wußte es. Er dachte gern, daß in ihm selber ein bißchen davon steckte.
    Heute sah der Junge alles andre als glücklich aus. Trouble mit einer Frau, Cameron hätte wetten mögen. Ständig gab es Schwierigkeiten mit Frauen, insbesondere bei dem Goldjungen-Nimbus, den Joel sich verschafft hatte. Er hatte ihm klarzumachen versucht, daß er für Bett und Bauch noch jede Menge Zeit hätte, wenn aus seiner Karriere mal der Dampf raus war, aber am Zölibat war Joel nicht interessiert, und Cameron konnte es ihm auch nicht verübeln.
    Die Pistole wurde hochgereckt und abgefeuert. Eine Feder blauweißen Rauchs, danach ein Geräusch, das eher nach einem Korken als nach einer Waffe klang. Der Schuß rüttelte die Tauben auf der St.-Pauls-Kuppel wach, und sie stiegen auf in schnatternd-gurrender Gemeinde, aus ihrem Gottesdienst herausgerissen.
    Joel hatte einen guten Start. Sauber, akkurat und schnell. Sofort begann die Menge seinen Namen zu rufen, ihre Stimmen in seinem Rücken, an seiner Seite, ein Ausbruch liebevoller Begeisterung.
    Cameron sah sich das Feld die ersten zwei Dutzend Meter mit an; eine erste Laufordnung formierte sich. Loyer war an der Spitze des Pulks, wobei sich Cameron nicht sicher war, ob er absichtlich oder zufällig dorthin gelangt war. Joel war hinter McCloud, und der hinter Loyer.
    Laß dir Zeit, Junge, sagte Cameron und verdrückte sich von der Startlinie. Sein Fahrrad war in der Paternoster Row angekettet, eine Minute zu Fuß von dem Platz. Autos hatte er schon immer gehaßt: gottlose Dinger, lähmende, menschenunwürdige, unchristliche Dinger. Mit einem Rad war man sein eigener Herr. Was wollte ein Mann mehr?
    » - Und ein ausgezeichneter, vielversprechender Start hier, zu einem Rennen, das allem Anschein nach ganz großartig wird. Schon sind sie über den Platz, und die Menge kennt hier kein Halten mehr: Daj Ganze erinnert wirklich mehr an die Europameisterschaften als an

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