Das 1. Buch Des Blutes - 1
gar nicht. Noch vor fünf Minuten hatte er den Südafrikaner losstarten und rennen sehen. Wer also war der hier? Ein Double offensichtlich. Irgendwie roch das nadi Schiebung; es stank gewaltig zum Himmel.
Schon verschwand der Mercedes um eine Ecke. Cameron drehte das Radio ab und radelte dem Wagen Hals über Kopf hinterher. Die milde Sonne brachte ihn zum Schwitzen.
Der Mercedes schlängelte sich durch die engen Straßen nicht ohne Schwierigkeit voran, ließ dabei alle Einbahnstraßenschilder außer acht. Die langsame Fahrt machte es Cameron relativ leicht, mit dem Fahrzeug in Sichtweite zu bleiben, ohne von seinen Insassen gesehen zu werden, obgleich die Anstrengung seine Lungen allmählich unter Feuer zu setzen begann.
In einer winzigen, obskuren Gasse, gleich westlich von der Fetter Lane, wo die Schatten besonders dicht waren, hielt der Mercedes an.
Cameron, keine zwanzig Meter vom Wagen hinter einer Häuserecke der Sicht entzogen, sah zu, wie die Tür vom Chauffeur geöffnet wurde und der Lippenlose, mit dem Voight-Ebenbild dicht dahinter, ausstieg und ein nicht näher bestimmbares Gebäude betrat. Als alle drei verschwunden waren, lehnte Cameron sein Rad gegen die Mauer und folgte ihnen.
Samtpfotenstill war es in der Straße. Aus dieser Entfernung war das Gebrüll der Menge nur noch ein Gemurmel. Eine andre Welt hätte sie sein können, diese Straße. Die flitzenden Vogelschatten, die Fenster der Gebäude vermauert, die abblätternde Farbe, der süßliche Aasgeruch in der unbewegten Luft. Ein totes Kaninchen lag im Rinnstein, ein schwarzes Kaninchen mit einem weißen Halsband, ein abhanden gekommenes Kuscheltier. Fliegen stiegen darüber auf, stürzten darauf nieder, hochgeschreckt die einen, heißhungrig die anderen.
So leise wie irgend möglich schlich Cameron auf die offene Tür zu. Er hatte nichts zu befürchten, wie sich herausstellte. Das Trio war schon längst im Hintergrund der dunklen Eingangshalle des Hauses verschwunden. Die Luft in der Halle war kühl und roch nach kelleriger Feuchte. Nach außen furchtlos, aber innerlich ängstlich drang Cameron in den blinden Bau ein. Die Tapete in der Eingangshalle war kackfarben, der Anstrich ebenso. Als wanderte man in einen Darm hinein, den Darm eines Toten, kalt und kackig. Vorn die Treppe war eingestürzt, verhinderte den Zugang zum oberen Stockwerk. Sie waren nicht hinaufgegangen, sondern hinunter.
Die Tür zum Keller grenzte direkt an den ehemaligen Treppenaufgang, und Cameron konnte von unten Stimmen hören.
So etwas habe ich noch nicht erlebt, dachte er, und machte die Tür weit genug auf, um sich ins dahinter liegende Dunkel zu zwängen. Es war eisig. Nicht einfach kalt, nicht klamm, sondern frostig. Einen Moment lang glaubte er, er hätte einen Kühlraum betreten. Sein Atem trat ihm als Dampf über die Lippen. Gleich würden seine Zähne zu klappern anfangen.
Kann nicht umkehren jetzt, dachte er, und begann, die eisglatten Stufen hinunterzusteigen. Die Finsternis war nicht absolut undurch-dringlich. Am Fuß der Treppenflucht, ganz weit unten, flackerte ein bleiches Licht, sein glanzlos-toter Schimmer hungerte nach dem Tag.
Cameron warf einen kurzen sehnsüchtigen Blick auf die offene Tür hinter ihm. Sie wirkte äußerst verführerisch, aber er war neugierig,»
neugierig. Er mußte unbedingt da hinunter.
Penetrant prickelte die Duftnote des Ortes in seinen Nasenlöchern.
Sein Geruchssinn war miserabel, und sein Gaumen noch indiskutab-ler, woran ihn seine Frau liebend gern erinnerte. Sie sagte immer, er könne nicht einmal Knoblauch und Rosen auseinanderhalten, und wahrscheinlich stimmte das. Aber der Geruch in dieser Tiefe sagte ihm durchaus etwas - etwas, das die Säure in seinem Magen zum Leben erweckte.
Ziegen. Es roch - ha, auf der Stelle wollte er ihr sagen, wie er sich daran erinnert hatte - es roch nach Ziegen.
Er war fast am Fuß der Treppe, sechs, womöglich neun Meter unter der Erde. Die Stimmen waren immer noch ein Stück weit weg, hinter einer zweiten Tür. Er stand in einer kleinen Kammer, deren Wände notdürftig getüncht und mit obszönen Graffiti bekritzelt waren, größtenteils Abbildungen des Geschlechtsakts. Auf dem Boden ein Kandelaber, siebenarmig. Nur zwei der Schmuddelkerzen waren angezündet, und sie brannten mit einer unruhigen, zittrigen Flamme, die fast blau war. Der ziegenartige Geruch war jetzt stärker und mit einem Duft vermischt, so kotzig-süßlich, daß er in ein türkische!
Bordell gepaßt
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