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Das 2. Gesicht

Das 2. Gesicht

Titel: Das 2. Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nika Lubitsch
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und so standen sie da und redeten. Sandra winkte mich zu sich. Zögernd stieg ich aus dem Auto aus und ging langsam zu der kleinen Gruppe. Himmel, war mir das peinlich.
    „Das ist Julia Osterman, meine beste Freundin aus Deutschland“, stellte mich Sandra vor, „und das sind Frank und Lydia aus New York, deine neuen Nachbarn. Wissen Sie, Julia ist ein bisschen schüchtern, sie traut sich einfach nicht Hallo zu sagen“, erklärte sie.
    „Ach, wie nett, die junge Frau von George! Wir waren so gespannt auf Sie“, sagte Lydia. „Es hat hier ja überall in den Zeitungen gestanden, dass George geheiratet hat, wir haben uns so für ihn gefreut, die Fotos von euch zwei sahen großartig aus. Aber ihr Flitterwöchner lebt ja so zurückgezogen, dass wir nicht mal gratulieren konnten. Wir sind hier auch nur ab und zu in den Ferien, den Rest des Jahres leben wir in New York. Wollt ihr nicht morgen Abend zum Grillen kommen?“
    „Ich habe George in die Flucht geschlagen“, erklärte Sandra augenzwinkernd. „Er hat sich zum Schreiben in seine Strandhütte zurückgezogen und wir zwei machen hier Mädelsurlaub.“
    „Mädelsurlaub ist toll“, sagte Lydia. „Da ist so ein Grillabend natürlich nicht das Richtige. Ich gehe morgens immer eine Runde joggen und nehme anschließend einen Veggie-Drink im Country Club. Habt ihr nicht Lust, euch anzuschließen?“
    Selbstverständlich hatten wir Lust. Wir verabredeten uns für den nächsten, sehr frühen Morgen und wünschten Frank und Lydia eine gute Nacht.
    „Siehst du, so macht man das“, sagte Sandra, als wir wieder ins Auto gestiegen und hinter dem Tor verschwunden waren. „Sag einfach: ‚Hallo, ich bin die Neue, darf ich mitspielen.‘ Und schon geht es. Ich bin sicher, dass die wissen, wo Georges Strandhaus ist.“
    Wir fielen auf der Terrasse mit einem letzten Drink darnieder. Die Zikaden gaben ein Konzert, das sich anhörte wie das Bimmeln von eintausend Weihnachtsglöckchen. Ich blickte in den klaren Sternenhimmel und fühlte mich plötzlich unendlich geborgen. Sandra war hier. Alles würde gut werden.
    „Ich öffne heute Nacht die Haustür, weil ich unbedingt den Mond sehen will“, sagte Sandra, während sie leise klimpernd die Eiswürfel in ihrem Glas kreisen ließ. Wir waren ein wenig angeheitert von der Flasche Chardonnay, die wir getrunken hatten, und todmüde. Es war ein langer, anstrengender Tag gewesen.
    Mitten in der Nacht heulte die Alarmanlage los wie ein getretener Schäferhund. Da ich George versprochen hatte, die Alarmanlage nicht auszustellen, hielt ich mir die Ohren zu und sprang aus dem Bett. Sandra stand mit einem Hauch von Nachthemd in der Haustür und schaute versonnen in den Sternenhimmel.
    „Wie lange, sagtest du, dauert es, bis die Security kommt?“, fragte sie.
    „Ein paar Minuten“, sagte ich.
    „Wie hältst du nur dieses Geräusch aus, das ist ja Folter“, beschwerte sich Sandra. Wir standen beide in der Tür. „Geh rein, lass mich das machen“, sagte sie.
    Ich war ihr dankbar, denn irgendwie kam es mir nicht richtig vor, meinem Ehemann gezielt nachzuschnüffeln. „Wozu hast du Personal?“, hatte Sandra zu diesem Thema gesagt und sich gemeint.
    Ich setzte mich in das Kaminzimmer, von dem aus man einen guten Blick auf die Haustür und den Pool auf der anderen Seite des Hauses hatte. Und siehe da, es dauerte wirklich nicht lange, bis ein Wagen der Security kam. Sandras Nachthemd war gegen das Licht der Eingangsbeleuchtung fast durchsichtig. Sie schreckte vor nichts zurück, wenn sie Ergebnisse brauchte. Ich hörte, wie sie mit dem Security-Mann verhandelte, und ihr girrendes Lachen. Verdammt, sie konnte sich tatsächlich anhören wie ein Cheerleader. Sehr schnell war der nervtötende Alarm abgestellt. Der Security-Mann bestand darauf, das Haus zu durchsuchen. Er nickte mir von Weitem zu, denn er kannte mich von seinen diversen Besuchen. Sandra trottete ihm hinterher wie ein treues Hündchen. Ich hörte sogar aus den oberen Stockwerken ihr glockenhelles Kleinmädchenlachen. Als der Security-Mann endlich ging, kam Sandra mit Siegesmiene zu mir ins Kaminzimmer.
    „Hier habe ich die Telefonnummer, bei der der Alarm immer auch gemeldet wird.“
    Ich schaute auf den Zettel.
    „Klar, es ist Georges Handy. Aber ich schwöre dir, er ist stinksauer, wenn ich ihn anrufe, während er dichtet.“
    „Dachte ich mir, leider ist keine Adresse hinterlassen worden. Schade. Aber ich habe den Namen des Maklers, der ihm dieses Haus verkauft hat.

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