Das 2. Gesicht
bis wir am Computer in Neuschwanstein saßen. Sandra tippte den Namen George Osterman ein und ich ging an die Bar und mixte uns Margaritas. Nichts passierte am Computer. Sie tippte die Adresse von Neuschwanstein ein, es passierte immer noch nichts.
„No property found. Hhm, die wollen einen Code haben, eine Parcel-Nummer.“
„Haben wir die?“, fragte ich.
„Nein, haben wir nicht.“
So kamen wir nicht weiter.
„Du musst dich noch mal mit dem Makler treffen, Sandra.“
„Aber er hat gesagt, dass es geht. Kann es sein, dass dein George das Haus nicht auf seinen Namen gekauft hat? Hat er vielleicht einen Firmennamen benutzt?“, fragte meine praktisch veranlagte Sandra.
„Wir sollten zuerst die Parcel-Nummer rauskriegen“, schlug ich vor. Aber wohl fühlte ich mich nicht mit meinem Vorschlag. Nervös lief ich auf und ab. „Wir müssen wohl noch mal joggen gehen.“
„Sag mal, Schatz, du hast doch von George eine Kreditkarte. Auf welche Bank ist die denn ausgestellt?“, fragte Sandra und nahm einen großen Schluck von ihrem Cocktail. „Da gibt es doch sicher Konten, von denen die ganzen Lieferanten bezahlt werden müssen.“
Ich blieb vor Sandra stehen und schaute sie betroffen an.
„Nein. Verdammt, ich habe in diesem Geisterhaus niemals auch nur die kleinste Kreditkartenabrechnung gesehen.“
„Die werden ja wohl kaum zu einer Postbox gehen. Ich wette mit dir, die gehen zum Strandhaus“, sagte Sandra. „Du könntest deine Kreditkarte verlieren und gehst zur Bank, um sie sperren zu lassen. Ganz auf doof“, sagte Sandra und nippte an ihrem Margarita.
„Würden die nicht sofort George anrufen?“
Es war zum Verzweifeln. Wir drehten uns im Kreis, alle Ideen führten irgendwie ins Leere. Sicher, es wäre das Einfachste gewesen, ihn zu beschatten. Aber ich weigerte mich, meinem Ehemann nachzuspionieren. Nein, so eine Frau war ich einfach nicht.
Sandra hat ein Date
„Okay, ich muss wohl doch noch mal mit dem Makler sprechen“, sagte Sandra. „Ich habe mich ohnehin mit ihm verabredet. Ich werde ihn ganz einfach direkt fragen, ob er weiß, wo George sein Strandhaus hat.“
„Ich könnte das nicht“, sagte ich. „Ich würde mich fühlen wie eine Verräterin.“
„Brauchst du auch nicht, Babe, lass mal Mutti Sandra das machen.“
Ach, wie ich meine Freundin liebte.
Am Morgen drehten wir mit Lydia noch eine Runde. Da wir beide wieder ganz schön nach Luft japsen mussten, war ein Gespräch fast unmöglich. Ich nahm mir vor, in Zukunft mehr für mich zu tun.
Am Mittag rief der Makler an und verabredete sich mit Sandra am frühen Abend. Na klar, dachte ich bei mir, er will sie sicher hinterher versuchen abzuschleppen. Salat, Steak und Sex. Mensch Julia, sagte ich mir, du lässt mal wieder kein Klischee aus.
Sandra machte sich sorgfältig zurecht.
„Nimm den BMW“, sagte ich ihr, „ich lege mich ein wenig aufs Ohr. Ich glaube, ich habe Muskelkater.“ Als ich aufwachte, war Sandra bereits fort. Ich setzte mich mit meinem Laptop an den Pool und fing an, ein wenig zu surfen. Sandra hatte mir klargemacht, dass ich unbedingt etwas tun müsse, sonst würde ich hier endgültig verblöden. Wenn George schon etwas gegen Charity hatte, dann musste ich mir etwas anderes einfallen lassen. Vielleicht konnte ich einen Job bei einer deutschen Firma finden, die eine Repräsentantin in den USA brauchte. Oder ich könnte vielleicht für eine der deutschen Zeitschriften oder Blogs schreiben, die hier in Florida erschienen. Oder ich könnte bei einem Makler die deutschen Kunden betreuen. Es war bereits dunkel, als ich den Computer zuklappte. Ein Entschluss stand fest: Ich würde wieder arbeiten. Keine Diskussion, George Osterman!
Ich machte mir gerade ein Sandwich mit Corned Beef und Cole Slaw, als das Telefon klingelte. Es war George.
„Na, amüsiert ihr Mädels euch auch kräftig?“, fragte er.
„Ich hoffe, dass Sandra sich kräftig amüsiert“, sagte ich. „Sie hat ein Date.“
Das Schweigen in der Leitung tat mir in den Ohren weh.
„Kommst du heute nach Hause?“, fragte ich meinen Mann.
„Nein, Engelchen, ich muss arbeiten.“
„Kommst du gut voran?“, fragte ich. Es war sein erstes Buch, das er schrieb, seitdem wir verheiratet waren. Ich hatte keine Ahnung von seinem Rhythmus, von seinen Gewohnheiten, ob er es mir zu lesen geben würde, bevor er es an den Verlag schickte, ob er es überarbeitete und wie lange er dafür brauchte. Ich merkte gerade, dass ich nicht die kleinste
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