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Das 2. Gesicht

Das 2. Gesicht

Titel: Das 2. Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nika Lubitsch
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Sandra wird jetzt erst mal ihre Haare verlieren“, sagte er und nahm das Rasiermesser.
    Und dann brach die Hölle los.

Im Krankenhaus
    Als ich wieder zu mir kam, hörte ich schreiende Menschen und sah so gut wie nichts, außer schwarzen Schatten, die hin und her huschten, und ich hörte Sätze wie: „Alles in Ordnung, alles okay.“
    Nichts war okay, das konnte ich an diesen Stimmen hören, die vor unterdrückter Panik vibrierten. Und warum schrien die Männer so?
    Alles war in Nebel getaucht. Ich fühlte, dass starke Arme mich packten, dass ich auf eine Liege geschoben wurde, dann sah ich Lichtbänder auf mich zurasen, ich hörte Menschen Befehle bellen, die ich nicht verstand, der Himmel stürzte über mir zusammen, ein Gewitter in blau und rot, darunter ein Klangteppich aus den markerschütternden Schreien wütender Spottdrosseln und dem ohrenzerfetzenden Jaulen unzähliger Sirenen.
    Dieser schrille Wahnsinn wurde plötzlich ein wenig gedämpft durch eine Autotür, die hinter mir zugeworfen wurde. Ein schwarzes Gesicht mit geröteten Augen beugte sich über mich und wieder hörte ich diese panikvibrierende Frage: „Alles in Ordnung, alles okay?“ Ich nickte.
    „Sandra, was ist mit Sandra?“, fragte ich. Über mir sah ich Schläuche von der Decke hängen, die sich jetzt bedenklich zur Seite neigten, als der Krankenwagen mit dem schrillen Aufheulen seiner Sirenen und quietschenden Reifen um die Ecke raste.
    „Ich bin okay, mir fehlt nichts“, sagte ich mit klappernden Zähen. Das schwarze Gesicht mit den geröteten Augen lächelte mich an und drückte mir eine Sauerstoffmaske ins Gesicht.
    Wozu brauchte ich Sauerstoff? Ich wollte mich von dieser Maske befreien, aber der schwarze Mann mit dem blütenweißen Kittel drückte mich zurück auf die Liege und ich sah, wie er eine Spritze aufzog. Hilfe, keine Spritze, nicht schon wieder betäubt werden. Aber wie schreit man unter einer Sauerstoffmaske?
    Allerdings hatte die Spritze eine wirklich heilsame Wirkung. Denn ich spürte augenblicklich, dass ich mich ein wenig entspannte und das Zittern in meinen Gliedern aufhörte. Ich versuchte, mich aufzusetzen.
    „Bleiben Sie einfach liegen“, sagte das schwarze Gesicht und ich wurde sanft zurück auf die Liege geschoben. „Wir sind gleich da.“
    Mit „da“ meinte er wohl das Krankenhaus. Ich nahm an, dass wir in das Lee Memorial fuhren, denn es war das nächstgelegene Hospital in der Cleveland Avenue. Ich wollte so gern etwas sagen, wollte wissen, was passiert war, denn meine Erinnerung lag im Nebel. Es war alles ein lautes, schwarzes, rotes, blaues, schreiendes Durcheinander. Und was war mit Sandra?
    „Psst, bleiben Sie ruhig, es kommt gleich der Doktor“, sagte das schwarze Gesicht. Und ich dachte, er sei der Doktor.
    Endlich hielt der Krankenwagen, ich wurde auf dieser Liege in die Notaufnahme gebracht. Offensichtlich hatte man auf mich gewartet, denn ich wurde den langen Gang hinuntergeschoben, vorbei an den vorderen Räumen. Diese amerikanischen Sirenen, deren lang gezogene, schrille Klagelaute noch immer in meinen Ohren nachhallten, waren verstummt. Ich werde wohl für den Rest meines Lebens von dieser Kakofonie von schreienden Menschen, Sirenen und Mockingbirds albträumen, von dieser Orgie in blau und rot.
    Das war das, woran ich mich damals unter dem kaltweißen Neonlicht des Krankenhausflures erinnerte. In meinem Kopf erschallte immer wieder der Satz: „Ich muss unbedingt Sandra finden.“ Die Spritze hatte mich also offensichtlich beruhigt, ich ahnte noch nicht einmal, dass ich mich gerade erst im Vorhof der Hölle befand.
    Ich wurde in einen extra Raum geschoben, es roch durchdringend nach Lysol. Ich blickte immer noch in dieses neonweiße Licht, das mir in den Augen wehtat.
    Dann kam ein arabisch aussehender Mann in das Zimmer, der sich mir als Dr. Afarid vorstellte. Wobei ich seinen Namen, den er amerikanisch aussprach, kaum verstand.
    Er leuchtete mir mit einer Stablampe in die Augen, maß meinen Blutdruck und hörte meine Herztöne ab. Ich kam mir vor wie beim Kinderarzt.
    „Ich bin okay, Herr Doktor, ich bin wirklich okay.“
    „Wissen Sie, wie viele Menschen da draußen jetzt auf Sie warten? Ich werde Sie diesem Rudel nicht zum Fraß vorwerfen, ehe ich mich nicht selbst davon überzeugt habe, dass mit Ihnen wirklich alles okay ist.“
    Er drückte auf meinem Bauch herum und fragte mich: „Tut das weh?“ Dann setzte er sich neben mich und fing an, mir Fragen zu stellen, deren Beantwortung

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