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Das 2. Gesicht

Das 2. Gesicht

Titel: Das 2. Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nika Lubitsch
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Rücken.
    „Julia, Schatz, denk dran, du musst doch noch meine Kamera bedienen“, sagte er.
    „Wozu sind diese ganzen Sachen da?“, fragte ich und deutete auf die Werkzeuge.
    „Ach, das weißt du doch ganz genau“, sagte er. „Das Rasiermesser und die Kerzen sind für die Haare. Aber die Hure hat mir ja schon die Hälfte der Arbeit in meinem Waxing Studio abgenommen. Das waren tolle Aufnahmen, sage ich dir, ich werde sie dir später zeigen.“
    „Und wozu ist die Kneifzange da?“
    „Mit der Kneifzange werde ich anfangen, meine kleine Praline anzuknabbern. Am Öhrchen, die Nasenspitze, so zum Anwärmen. Und dann kommen die Brustwarzen dran. Hach, die ganzen kleinen Schnirpsel kommen erstmal ab. Und dann“, er zeigte auf das Teppichmesser, „dann sind die Schamlippen dran, darauf freue ich mich am meisten, du musst das in Großaufnahme nehmen, Engelchen.“
    „Ich verstehe“, sagte ich, „das ist die rituelle Beschneidung, stimmt’s?“ Man hörte auf dem Video, wie er anfing, schwerer zu atmen, und ich tat etwas, was ich bis heute nicht glauben kann. Ich drängte mich an ihn. Sie haben mir diese Sequenz wieder und wieder vorgespielt.
    „Hier das Skalpell, damit mache ich dann einen Schnitt unter ihren Brüsten, die Brüste sind das Nächste, was ab muss.“
    „Ja, alles, womit sie den Männern den Kopf verdreht“, sagte ich und J.R. schaut mich liebevoll an. Jawohl, liebevoll. „Und dann öffne ich ihren Bauch. Da unten“, er zeigte mit dem Skalpell auf mein Schambein, „da hole ich dann ihre Gebärmutter raus.“
    „Ja, ich weiß, J.R., du sorgst dafür, dass diese Hure nicht auch noch Kinder bekommt, kranke, verkommene Kinder, die niemals Liebe bekommen werden.“
    J.R. strich mir mit dem Skalpell über die Wange, während er mit der anderen Hand immer noch mit der Pistole auf mich zielte, was man leider auf dem Video nicht sah.
    „Komm, zeig mir, wie ich das für die Nachwelt festhalten kann“, sagte ich und schaute mich suchend um.
    J.R. gab mir von hinten einen Schubs mit der Pistole und führte mich an das Ende der Liege, näher zur Kamera heran.
    „Hast du auch Ton dabei?“, fragte ich. Er nahm meine Hände und fesselte sie einmal um die Stange herum. Dann nahm er das gleiche silberne Klebeband und band meine Hände an der oberen Kamera fest. Sein Atem ging dabei ebenso stoßweise wie meiner, es hörte sich an, als ob wir kurz vor der Vereinigung stehen würden. Verdammt.
    Er lächelte mich an. „So, Engelchen, und nun mache uns einen schönen Film. Ich möchte, dass du ihn für mich kommentierst. So wie eine Fernsehmoderatorin, verstehst du. Du musst das Ereignis ankündigen. Und erklären, warum ich das eine oder andere tue. Kannst du das?“ Man sieht mich in diesem Moment nicht, weil ich hinter der Kamera war. Aber man hört mich stöhnen, ich entsinne mich, dass ich stumm vor Entsetzten genickt hatte.
    „Fang an, Engelchen, du weißt, was kommt. Klein Sandra wird jetzt erstmal ihre Haare verlieren“, sagte er und nahm das Rasiermesser.
    Wieder und wieder zeigten sie mir diesen Streifen und fragten, was ich dabei gefühlt hätte. Die sogenannte Polizei-Psychologin, die eigentlich dafür da sein sollte, den Opfern zur Seite zu stehen, ließ sie gewähren. Oh, Kelly!
    Immer wieder auf’s Neue sagte ich es ihnen, schrie es ihnen ins Gesicht, dass ich versucht hatte, ihn in Sicherheit zu wiegen, weil ich gehofft hatte, dass ich dadurch irgendeine Chance bekommen würde, Sandra und mich zu befreien. Aber alle meine Versuche wurden jetzt so gedeutet, als ob ich die Komplizin von J.R. gewesen sei. Und ich musste zugeben, dass ich selbst es glauben würde, wenn ich nicht dabei gewesen wäre.
    Sie befragten mich über die Situation, in der ich meinen Mann erschossen hatte. Sie wollten wissen, was ich in diesem Strandhaus gefunden hatte, das mich auf den Gedanken gebracht hatte, dass mein Mann ein Serienkiller sei. Sie verhörten mich so lange, bis ich nicht mehr konnte, bis ich mit dem Kopf auf den Tisch haute und schrie.
    „Begreifen Sie doch endlich, ich habe ihr helfen wollen, ich habe auf die Gelegenheit gewartet, dieses Tier zu erledigen!“
    „So wie Ihren Mann, nicht wahr?“ Das war eindeutig zu viel für mich. Ich verlangte einen Anwalt. Selbstverständlich. Die Damen und Herren von der Polizei standen auf. Wen sollen wir anrufen? Gute Frage. Danke! Weil ich ja auch Strafanwälte, noch dazu gute, endlos auf der Payroll hatte. Außerdem, konnte ich mir überhaupt einen von

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