Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das 3. Buch Des Blutes - 3

Das 3. Buch Des Blutes - 3

Titel: Das 3. Buch Des Blutes - 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
Vom Netzwerk:
ihn. Er wollte weit weg sein von hier, weit weg in der Kühle eines Birkendickichts, mondüberflutet.
    Seine getrübten Augen stießen auf den Stein; der Homo sapiens hätschelte ihn wie ein Baby. Es fiel Rohkopf schwer, ihn deutlich zu sehen, aber er wußte Bescheid. Es brannte in seinem Bewußtsein, diese? Bild. Es ließ ihm keine Ruhe, es quälte ihn.
    Natürlich war es nur ein Symbol, ein Zeichen der Macht, nicht die Macht selbst, aber sein Verstand machte keine solche Unterscheidung. Für ihn war der Stein das Ding, das er am meisten fürchtete: das blutende Weib mit dem klaffenden Loch, das Samen fraß und Kinder spie. Es war das Leben, dieses Loch, dieses Weib, es war endlose Fruchtbarkeit. Es jagte ihm gräßliche Angst ein.
    Rohkopf trat zurück, ungehindert lief ihm die eigene Scheiße das Bein hinunter. Die Angst auf seinem Gesicht verlieh Ron Stärke. Er nutzte seinen Vorteil voll aus, drängte angriffslustig der sich zurückziehenden Bestie nach, registrierte dabei verschwommen, daß Ivanhoe Verbündete um ihn scharte, bewaffnete Gestalten, die am Rand seines Gesichtskreises warteten, darauf versessen, den Brandstifter zu Fall zu bringen.
    Seine eigene Stärke ließ ihn im Stich. Der Stein, hoch emporgehoben über seinen Kopf, damit Rohkopf ihn deutlich sehen konnte, schien jeden Augenblick schwerer zu werden.
    »Los doch«, sagte er leise zu den sich zusammenrottenden Zealoten. »Los doch, greift ihn. Greift ihn …«
    Sie begannen mit der Umzingelung, noch ehe er zu reden aufgehört hatte.
    Rohkopf roch sie mehr, als daß er sie sah; seine schmerzenden Augen waren auf das Weib geheftet.
    Seine Zähne glitten aus ihren Scheiden, einsatzbereit für den bevorstehenden Angriff. Der Gestank der Menschengattung drang von allen Seiten auf ihn ein.
    Panik bezwang einen Moment lang seinen Aberglauben, und mit Todesverachtung gegen den Stein, schnellte er seine Pranke nach unten, in Rons Richtung. Ron wurde von der Attacke überrumpelt. Die Klauen senkten sich in seine Kopfhaut, Blut strömte ihm übers Gesicht.
    Dann ging die Menge unmittelbar zum Angriff über. Menschliche Hände, schwache, weiße menschliche Hände wurden an Rohkopfs Körper gelegt. Fäuste schlugen auf sein Rückgrat ein, Nägel zerkratzten seine Haut.
    Er ließ Ron los, als jemand von hinten ein Messer an seine Beine setzte und ihm die Kniesehnen durchtrennte. Vor rasendem Schmerz heulte er den Himmel herab, zumindest schien es so. In Rohkopfs gerösteten Augen wirbelten die Sterne im Kreis herum, während er rückwärts auf die Straße fiel und sein Kreuz unter der Wucht des Aufpralls krachte. Unverzüglich nutzten sie den Vorteil und überwältigten ihn durch ihre bloße zahlenmäßige Überlegenheit. Er biß hier einen Finger ab, dort ein Gesicht, aber sie ließen sich jetzt durch nichts mehr aufhalten. Ihr Haß war alt; in ihren Knochen saß er, nur daß sie das nicht wußten.
    Er schlug unter ihren wütenden Attacken mit Armen und Beinen um sich, solange er konnte, aber er wußte, daß derTod unausweichlich war. Diesmal gäbe es keine Auferstehung, kein generationenlanges Abwarten in der Erde, bis ihre Nachkommen ihn vergäßen. Er würde völlig ausgetilgt werden, das blanke Nichts stand vor ihm.
    Bei dem Gedanken wurde er ruhiger, und er schaute, so gut er konnte, nach oben, dorthin, wo der kleine Vater stand. Ihre Augen begegneten sich, wie unlängst auf der Straße, als er den Jungen gerissen hatte. Aber jetzt hatte Rohkopfs Blick seine festnagelnde Macht verloren. Sein Gesicht war leer und steril wie der Mond, längst schon geschlagen, als Ron ihm mit aller Wucht den Stein zwischen die Augen hinunterknallte. Der Schädel war weich: Er brach nach innen ein, und Gehirnmatsch bespritzte in dicken Batzen die Straße.
    Der König verlöschte. Plötzlich war es vorüber, ohne Zeremo nie oder Feier. Aus, ein für allemal. Tränen gab es keine.
    Ron ließ den Stein, wo er lag, halb vergraben im Ge sicht der Bestie. Benommen stand er auf und betastete seinen Kopf. Die Kopfhaut hatte sich gelöst, seine Fingerspitzen berührten den Schädel, unaufhörlich kam Blut heraus. Aber Arme waren da, ihn zu stützen, und nichts zu befürchten, falls er schliefe.
    Es geschah zwar unbemerkt, aber im Tod entleerte sich Rohkopfs Blase. Ein Urinbach pulsierte aus der Leiche und rann die Straße hinunter. Das Flüßchen dampfte in der empfindlich kühlen Luft, es schnupperte mit schaumiger Nase nach rechts und links auf der Suche nach einer

Weitere Kostenlose Bücher