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Das 3. Buch Des Blutes - 3

Das 3. Buch Des Blutes - 3

Titel: Das 3. Buch Des Blutes - 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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Abflußmöglichkeit. Nach ein, zwei Metern fand es den Rinnstein und lief ihn eine Weile entlang, bis zu einem Spalt im Asphalt; dort versickerte es in die aufnahmewillige Erde.

    Er war einmal Fleisch gewesen. Fleisch und Bein und heißes Streben. Aber das war eine Ewigkeit her, zumindest schien es so, und die Erinnerung an jenes selige Stadium verblaßte schnell.
    Einige Spuren seines früheren Lebens hielten sich noch; Zeit und Erschöpfung konnten ihm nicht alles rauben. Klar und schmerzlich konnte er sich die Gesichter jener vergegenwärtigen, die er geliebt und gehaßt hatte. Aus der Vergangenheit schauten sie unverwandt herüber zu ihm, klar und leuchtend.
    Noch immer konnte er den herzigen Gutenacht-Ausdruck in den Augen seiner Kinder sehen sowie den gleichen Blick, weniger herzig, aber nicht minder gutenachtartig, in den Augen der brutalen Rohlinge, die er ermordet hatte.
    Bei manchen dieser Erinnerungen hätte er am liebsten geweint, nur daß sich aus seinen stärkesteifen Augen keine Tränen herauswringen ließen. Außerdem war es für Reue viel zu spät.
    Reue war ein den Lebenden vorbehaltener Luxus: Sie hatten noch die Zeit, den Atem und die Energie zum Handeln.
    Er war über all das hinaus. Er, Mutterns kleiner Ronnie (ach, wenn sie ihn jetzt sehen könnte), er war fast drei Wochen tot.
    Bei weitem zu spät für Reuegefühle.
    Er hatte alles in seiner Macht Stehende getan, um die Fehler, die er begangen hatte, wiedergutzumachen. Er hatte seine Spannweite bis an ihre Grenzen in die Länge gezogen und darüber hinaus; kostbare Zeit hatte er sich selber abgeluchst, um die losen Enden seiner ausgefransten Existenz zu vernähen. Mutterns kleiner Ronnie war immer pingelig proper gewesen: ein Ausbund an Ordentlichkeit. Das war einer d er Gründe, weshalb er an Buchführung Gefallen gefunden hatte.
    Die Verfolgung von ein paar falsch eingetragenen Pence durch Hunderte von Ziffern war ein Spiel nach seinem Geschmack; und wie befriedigend dann der akkurate Bücherabschluß am Ende des Tages. Un glücklicherweise war das Leben nicht so perfektionierbar, wie ihm jetzt, zu spät am Tag, klar wurde.
    Und doch, er hatte sein Möglichstes getan, und das war, wie Mutter zu sagen pflegte, alles, was einer zu tun sich erhoffen konnte. Nichts blieb ihm mehr übrig, als zu beichten und nach dem Sündenbekenntnis vor sein Strafgericht zu treten, mit leeren Händen und zerknirscht. Wie er so dasaß, über den vom Gebrauch polierten Beichtstuhlsitz in St. Mary Magdalene drapiert, härmte er sich ab, daß die Gestalt seines widerrechtlich angeeigneten Körpers nicht mehr standhielte, nicht lange genug, um sich all der Sünden, die in seinem Leinenherzen erschlaffend dahinsiechten, zu entledigen. Er konzentrierte sich darauf, Leib und Seele für diese letzten, lebenswichtigen paar Minuten beisammenzuhalten.
    Bald würde Pater Rooney kommen, sich hinter das Trenngitter des Beichtstuhls setzen und Worte des Trostes, des Verstehens, der Vergebung finden; dann konnte Ronnie Glass in den noch verbleibenden Minuten seiner gestohlenen Existenz seine Ge schichte erzählen.
    Anfangen würde er damit, jenen schrecklichsten Schandfleck auf seinem Charakter abzustreiten: die Beschuldigung, Pornograph zu sein.
    Pornograph.
    Der Gedanke war absurd. Nicht die leiseste Spur eines Pornographen steckte in ihm. Jeder, der ihn in seinen zweiunddreißig Jahren näher kennengelernt hatte, hätte das bezeugt. Lieber Gott, nicht mal Sex mochte er besonders gern. Darin lag die Ironie. Von allen Leuten, die man hätte beschuldigen können, mit Schweinkram hausieren zu gehen, kam er wohl am wenigsten in Betracht. Während es den Anschein gehabt hatte, als stellte jeder um ihn herum seinen Ehebruch wie ein drittes Bein zur Schau, hatte er einen untadeligen Lebenswandel geführt.
    Das verbotene Leben des Leibes passierte - wie ein Verkehrsunfall - anderen Leuten; nicht ihm. Sex war bloß eine Achterbahnfahrt, die man sich etwa einmal jährlich genehmigen konnte. Zweimal mochte noch hingehen; dreimal war ekelerregend. Was Wunder also, daß in neun Jahren Ehe mit einem braven katholischen Mädchen dieser brave katholische Junge nur zwei Kinder zeugte ?
    Aber er war ein liebevoller Gatte gewesen, auf seine lustlose Art, und seine Frau Bernadette hatte seine Gleichgültigkeit gegenüber Sex geteilt, weswegen sein unenthusiastisches Glied nie zu einem Zankapfel zwischen ihnen geworden war. Und die Kinder waren eine Freude. Samantha entwickelte sich bereits zu

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