Das 3. Buch Des Blutes - 3
und sie brachten ihn schnell in ihre Gewalt, ohne daß ihm Zeit blieb, zu seiner Verteidigung eine Waffe zu zücken. Sie eskortierten ihn zu einem Lagerhaus für Salami und gekochtes Fleisch, und im eisig-weißen Schutz des Kühlraums hängten sie ihn an einem Haken auf und folterten ihn. Jedem, der irgendeinen Anspruch auf Dorks oder Henry B. s Zuneigung hatte, wurde Gelegenheit gegeben, seinen Kummer an ihm abzuarbeiten. Mit Messern, mit Hämmern, mit Schweißbrennern. Sie zerschmetterten ihm die Knie und die Ellbogen. Sie rissen ihm die Trommelfelle heraus und brannten das Fleisch von seinen Fußsohlen.
Endlich, etwa gegen elf, verloren sie allmählich das Interesse.
Die Clubs kamen gerade auf Touren, die Spieltische fingen gerade zu brodeln an, es war Zeit, mit der Gerechtigkeit zu einem Ende und hinaus in die Stadt zu kommen.
Zu ebendiesem Zeitpunkt kreuzte Micky Maguire auf, tödlich schick gekleidet in seinem Sonntagsstaat. Ronnie wußte, Maguire war hier irgendwo in dem trüben Dunst, aber seine Sinne waren beinah ausgelöscht, und nur andeutungsweise sah er, wie das Schießeisen auf seinen Kopf gerichtet wurde, und nur andeutungsweise spürte er, wie das Detonationsgeräusch in dem weiß gekachelten Raum herumhüpfte.
Eine einzelne Kugel, makellos plaziert, drang durch seine Stirnmitte ins Hirn ein. So akkurat, daß es vielleicht sogar seinen Maßstäben genügt hätte: wie ein drittes Auge.
Sein Körper zuckte einen Moment an seinem Haken und starb.
Maguire steckte den Applaus weg wie ein Mann - ein Küßchen den Damen, ein Dankeschön seinen lieben Freunden, die dieser seiner Tat beigewohnt hatten - und zog ab zum Spielen. Die Leiche wurde am frühen Sonntagmorgen in einem Plastiksack am Rand des Epping Forest abgeladen, gerade als sich der Dämmerungschor in den Eschen und Platanen aufeinander einstimmte. Und damit war die Sache im Grunde genommen erledigt. Nur daß es jetzt erst richtig losging.
Ronnies Körper wurde tagsdarauf von einem Jogger gefunden, der vor sieben auf den Beinen war. Innerhalb der gut vierundzwanzig Stunden zwischen der Deponierung und der Auffin dung war die Leiche bereits in Verfall übergegangen.
Aber der Pathologe hatte schon weit, weit Schlimmeres gesehen. Leidenschaftslos sah er zu, wie die zwei Anatomiegehilfen den Körper entkleideten, die Kleider zusammenlegten und sie in mit Etiketten versehenen Plastikbeuteln verstauten. Geduldig und aufmerksam wartete er, während die Frau des Verschiedenen in sein widerhallendes Reich geleitet wurde, aschfahl im Gesicht, die Augen bis zum Platzen verschwollen von zu vielen Tränen. Ohne Liebe schaute sie auf ihren Mann hinunter und bestaunte durchaus unerschrocken die Wunden und Folterspuren. Für den Pathologen war dieses letzte Zusammentreffen zwischen Pornozar und ungerührter Gattin nur das Schlußkapitel einer ganzen Ge schichte. Die lieblose Ehe der beiden, die Auseinandersetzungen wegen seines verachtenswerten Lebenswandels, die Verzweiflung der Frau, seine brutale Herzlosigkeit, und nun: ihre Erleichterung, daß die Tortur endgültig vorbei war und ihr die Freiheit gegeben wurde, ein neues Leben zu beginnen, ohne ihn. Der Pathologe notierte sich im Kopf, die Adresse der charmanten Witwe nachzuschlagen. Sie war hinreißend in ihrer Gleichgültigkeit gegenüber all den Verstümmelungen; das Wasser lief ihm im Mund zusammen, wenn er über sie nachdachte.
Ronnie wußte, daß Bernadette gekommen und gegangen war; auch die anderen Gesichter konnte er wahrnehmen, die in die Leichenhalle hereinplatzten, bloß um sich den daliegenden Pornozaren zu begucken. Noch im Tode war er ein Gegenstand der Faszination. Und ein Horror war es, den er nicht vorausgesehen hatte: in seinen kühlen Gehirnwindungen herumzuschwirren wie ein Mieter, der sich weigert, sich von den Vollstreckungsbeamten rausschmeißen zu lassen - sehen zu müssen, wie ihn die Welt noch immer umschwebte, und nicht imstande zu sein, auf sie einzuwirken.
In den Tagen seit seinem Tod hatte es keinerlei Hinweis auf einen Ausweg aus dieser Lage gegeben. Er war hier herumgesessen in seinem eigenen toten Schädel, außerstande, einen Durchschlupf hinaus in die lebende Welt ausfindig zu machen, und irgendwie nicht gewillt, das Leben gänzlich fahrenzulassen und sich dem Himmel anheimzugeben. Noch immer gab es einen Willen zur Rache in ihm. Ein Teil seines Selbst, unversöhnlich gegenüber Vergehen, war darauf eingestellt, das Paradies zu vertagen, um die von ihm begonnene
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