Das 3. Buch Des Blutes - 3
Aufgabe zu Ende zu bringen. Die Bücher mußten abgeschlossen werden; und ehe Michael Maguire nicht tot war, konnte Ronnie seine Buße nicht antreten.
In seinem runden Knochengefängnis sah er dem Kommen und Gehen der Neugierigen zu und verknüpfte seine Willensfäden.
Der Pathologe verrichtete seine Arbeit an Ronnies Leichnam mit dem Feingefühl eines Fischausweiders: Schludrig grub er ihm die Kugel aus der Hirnschale und schnüffelte in den Kuddelmuddelpartien aus zertrümmertem Knochen und Knorpel herum, die früher seine Knie und Ellbogen gewesen waren.
Ronnie konnte den Mann nicht leiden. Er hatte auf eine höchst unstandesgemäße Weise nach Bernadette geschie lt; und jetzt, wo er den Profi mimte, war seine Gefühllosigkeit absolut schandbar. Ach, was gäbe er drum, wenn ihm eine Stimme, eine Faust, ein Körper eine Zeitlang zur Verfügung stünden!
Dann würde er diesem Schlachtfleischschnippler zeigen, wie man mit Körpern umgeht. Aber der Wille allein reichte nicht aus: Er brauchte ein Zentrum und ein Vehikel zur Flucht.
Der Pathologe beendete seinen Bericht und seine grobe Zunäherei, warf seine saftglänzenden Handschuhe und seine besudelten Instrumente auf den Handkarren neben die Tupfer und den Alkohol und überließ den Leichnam den Assistenten.
Ronnie hörte, wie sich beim Weggehen des Mannes die Schwingtüren hinter ihm schlössen. Irgendwo lief Wasser, platschte in den Ausguß; das Geräusch irritierte ihn.
Die zwei Mitarbeiter standen neben dem Tisch, auf dem er lag, und unterhielten sich über ihre Schuhe. Ausgerechnet über Schuhe! So was Banales, dachte Ronnie, so was nervtötend Banales.
»Kennst du diese neuen Sohlen, Lenny ? Solche, wie ich sie mir auf meine braunen Wildlederschuhe hab’ machen lassen?
Kannst echt vergessen. Taugen überhaupt nichts.«
»Wundert mich nicht.«
»Und was ich dafür hab’ hinlegen müssen. Schau dir das an; schau dir das bloß an! In einem Monat durchgelaufen.«
»Papierdünn.«
»Aber genau, Lenny, papierdünn sind die. Ich tu’ sie wieder runter.«
»‘s einzig Wahre.«
»Mach’ ich glatt.«
»‘s einzig Wahre.«
Diese stupide Unterhaltung überstieg nach jenen Stunden der Folter, des plötzlichen Todes und der Obduktion, die er vor so kurzer Zeit ertragen hatte, beinah das Maß des Erträglichen.
Ronnies Geist fing an, in seinem Gehirn unablässig rundherum zu schwirren wie eine wütende, in einem umgestülpten Marmeladenglas gefangene Biene, entschlossen, ins Freie zu gelangen und draufloszustechen.
Immer rundherum - wie die Unterhaltung.
»Arschig papierdünn.«
»Wundert mich nicht.«
»Dreck, ausländischer. Diese Sohlen. Kommen aus diesem bekackten Korea.«
»Korea?«
»Logo, drum sind sie ja papierdünn.«
Einfach unverzeihlich, diese mühsam sich hinschleppende Stumpfsinnigkeit dieser Typen. Daß sie leben und handeln und sein durften, während er ewig herumsummte und dabei vor Frustration kochte. War das fair?
»Sauber abgeknallt, Maßarbeit«, sagte Lenny.
»Was?«
»Die Leiche. Der abservierte - wie heißt er gleich - Pornozar.
Peng! Mitten in die Stirn. Siehst du das ? Zack-bumm, und rein wie ‘n Wiesel.«
Lennys Genösse war anscheinend noch immer von seiner papierdünnen Sohle in Anspruch genommen. Er gab keine Antwort. Wißbegierig schob Lenny das Leichentuch zentimeterweise von Ronnies Stirn zurück. Die Einschnittstellen des zersägten und skalpierten Fleisches waren unelegant vernäht, aber das Einschußloch war akkurate Maßarbeit.
»Schau dir das an.«
Der andere sah sich flüchtig nach dem toten Gesicht um. Die Kopfwunde war gereinigt worden, nachdem die Sondierzange ihre Arbeit geleistet hatte. Die Ränder waren weiß und schrumplig aufgeworfen.
»Ich hab’ gedacht, sie zielen normalerweise aufs Herz«, sagte der Sohlenforscher.
»Das hier war nicht irgendein Straßenkampf. Es war eine Hinrichtung; etwas Förmliches«, sagte Lenny und stieß seinen kleinen Finger in die Wunde. »Ein astreiner Schuß. Peng!
Genau in die Stirnmitte. Als ob er drei Augen hätte.«
»Ja, Mann …«
Das Leichentuch wurde wieder über Ronnies Gesicht geworfen. Die Biene surrte weiter, immer rundherum.
»Hast schon vom dritten Auge gehört, oder?«
»Du etwa?«
»Stella hat mir was vorgelesen drüber; soll das Zentrum des Körpers sein.«
»Dein Nabel ist das. Wie kann deine Stirn das Zentrum von deinem Körper sein?«
»Also …«
»Dein Nabel ist das.«
»Nein, ich mein’ mehr dein geistiges Zentrum.«
Der
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