Das 3. Buch Des Blutes - 3
gedrückte Löcher aussahen. Das Gesicht des Ge spenstes war so jammervoll, daß dem Floristen die Worte auf den Lippen gefroren.
Ronnie probierte den Drücker der Sakristeitür. Das Rütteln brachte ihn nicht weiter. Die Tür war abgesperrt.
Von drinnen fragte jemand atemlos: »Wer is’n das?« Es war Pater Rooneys Stimme.
Ronnie versuchte zu antworten, brachte aber kein Wort heraus. Ihm blieb nichts weiter übrig, als zu rütteln und zu klappern wie jedes achtbare Gespenst sonst auch.
»Wer is’n das?« fragte der gute Pater wieder, diesmal etwas ungehalten.
Nehmen Sie mir die Beichte ab! wollte Ronnie sagen, nehmen Sie mir die Beichte ab, denn ich habe gesündigt.
Die Tür blieb zu. Pater Rooney war beschäftigt. Er machte Fotos für seine Privatsammlung. Sein Objekt war eine seiner Lieblingsdamen, Natalie mit Namen. Eine Tochter des Lasters, wie ihm jemand erzählt hatte, aber das konnte er nicht glauben.
Sie war zu entgegenkommend, zu engelhaft, und sie hatte einen Rosenkranz um ihren kecken Busen geschlungen, als wäre sie bloß einem Nonnenkloster entsprungen.
Das Hantieren am Türdrücker hatte jetzt aufgehört. Gut, dachte Pater Rooney, wer immer das war, der kommt schon wieder. Nichts war so dringend. Pater Rooney bedachte die Frau mit einem Lächeln, was Natalie mit aufgeworfenen Lippen erwiderte.
In der Kirche schleppte sich Ronnie zum Altar und beugte das Knie. Drei Reihen dahinter erhob sich der Blumenhändler aus seiner Andacht; diese Entweihung versetzte ihn in Wut. Der Junge war offensichtlich betrunken, so wie der rumtaumelte.
Der Mann hatte nicht vor, sich v on einer armselig hingeschluderten Totenmaske Angst einjagen zu lassen. Den Entweiher in ausgereiftem Griechisch verfluchend, griff er nach dem vor dem Altar knienden Gespenst.
Es war nichts unter dem Laken: überhaupt nichts.
Der Blumenhändler spürte, wie das lebende Tuch in seiner Hand zuckte und ließ es mit einem winzigen Aufschrei fallen.
Dann verdrückte er sich rückwärts gehend den Mittelgang entlang und bekreuzigte sich dabei fortwährend von oben bis unten wie eine verrückt gewordene Witwe. Wenige Meter vor der Kirchentür wandte er sich weg und nahm schleunigst Reißaus.
Das Leichentuch lag, wo der Blumenhändler es hatte fallenlassen. Ronnie, der in den Falten weilte, schaute auf von dem zerknüllten Haufen und richtete den Blick auf die Herrlichkeit des Altars. Der erstrahlte sogar im düsteren Zwielicht da kerzenerleuchteten Kirchenschiffs, und angerührt von seiner Schönheit, war Ronnie gewillt, die Illusion von sich abzutun, Ohne Beichte, aber auch ohne Angst vor Strafe kroch sein Geist davon.
Nach etwa einer Stunde entriegelte Pater Rooney die Sakristeitür, geleitete die keusche Natalie aus der Kirche und sperrte den Vordereingang ab. Auf dem Rückweg spähte er in den Beichtstuhl, um zu überprüfen, ob sich Kinder versteckt hatten. Leer, die ganze Kirche war leer. Maria Magdalena war eine Vergessene.
Als er pfeifend auf Umwegen zur Sakristei zurückschlenderte, fiel ihm Ronnie Glass’ Leichentuch ins Auge. Unordentlich breitete es sich über die Altarstufen, ein trister Haufen schäbigen Tuchs. Ideal, dachte er und hob es auf. Auf dem Sakristeiboden waren einige verfängliche Flecken. Genau das richtige zum Aufwischen.
Er schnüffelte an dem Tuch, er war ein leidenschaftlicher Schnüffler. Es roch nach tausenderlei: nach Äther, Schweiß, Hunden, Eingeweiden, Blut, Desinfektionsmittel, leeren Zimmern, gebrochenen Herzen und Verlust. Faszinierend. Genau das ist das Erregende am Pfarrbezirk von Soho, dachte er. Jeden Tag etwas Neues. Geheimnisse auf der Eingangsstufe, auf der Altarstufe. Verbrechen, so zahlreich, daß ein Ozean Weihwasser nötig wäre, um sie abzuwaschen. Käufliche Laster an jeder Ecke, vorausgesetzt, man hatte den Blick dafür.
Er klemmte das Leichentuch unter seinen Arm.
»Möcht’ wetten, du hast was zu erzählen«, sagte er und löschte dabei die Votivkerzen aus, mit Fingern, die zu heiß waren, um die Flamme zu spüren.
Eins: Vorspann
Barberio fühlte sich ganz okay - trotz der Kugel. Sicher, wenn er zu tief Luft holte, stockte ihm der Atem in der Brust, und die Wunde in seinem Oberschenkel war auch kein besonders schöner Anblick, aber er war schon früher durchlöchert worden und hatte es locker überstanden. Zumindest war er frei, das war die Hauptsache. Niemand, schwor er sich, niemand würde ihn jemals wieder einsperren, eher brächte er sich um, als daß er noch mal
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