Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das 3. Buch Des Blutes - 3

Das 3. Buch Des Blutes - 3

Titel: Das 3. Buch Des Blutes - 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
Vom Netzwerk:
verschnaufen und seine nächsten Schritte planen konnte. Ein Nickerchen von ein, zwei Stunden würde gleichfalls nicht schaden.
    Wenn bloß dieses Bauchweh nicht gewesen wäre, der tiefe nagende Schmerz, der in den letzten Tagen immer stärker geworden war. Vielleicht sollte er sich, wenn er sich etwas ausgeruht hatte, ans Telefon hängen und noch mal Geraldine anrufen, sie dazu bringen, daß sie einen Arzt beschwatzte, sich ihn mal anzusehen. Er hatte eigentlich vorgehabt, spätestens bis Mitternacht aus der Stadt zu sein, aber diese Möglichkeit konnte er jetzt getrost vergessen. Mordsgefährliche Lage, aber er müßte in dem Ort hier die Nacht über und womöglich den Großteil des nächsten Tages bleiben; seine Flucht ins offene Land wagen, wenn er wieder etwas zu Kräften gekommen war und sich die Kugel aus dem Bein hatte entfernen lassen.
    Heiland, wenn ihn nur dieser Bauch nicht so zwickte. Seiner Meinung nach war es ein Magengeschwür, das der ekelhafte Schweinefraß, den sie im Zuchthaus Essen nannten, verursacht hatte. Eine Menge Burschen hatten dort Magenstörungen oder die Scheißerei. Nach ein paar Tagen Pizza und Bier ginge es ihm besser, da war er sich todsicher.
    Das Wort »Krebs« gehörte nicht zu Barberios Wortschatz. Nie dachte er über tödliche Krankheiten nach, insbesondere nicht, soweit es ihn selbst betraf. Da käme man sich ja wie ein Stück Schlachtvieh vor, das sich über einen einwärtswachsenden Huf Gedanken macht, während es gerade auf den Schußapparat zutrottet. Ein Mann in seiner Branche, umgeben von todbringenden Geräten, rechnete nicht damit, an einer bösartigen Erkrankung in seinem Bauch zugrunde zu gehen. Aber genau davon rührte der Schmerz her.
    Das ruinenartige Terrain gleich hinter dem Filmpalast-Kino war ein Restaurant gewesen, aber vor drei Jahren war es bei einem Feuer völlig ausgebrannt, und in diesem Zustand hatte man das Grundstück bis heute belassen.
    Als Spekulationsobjekt für einen Wiederaufbau taugte es nicht viel, und niemand hatte sonderliches Interesse an dem Bauplatz gezeigt. In der Gegend war einmal reger Betrieb gewesen, aber das war in den Sechzigern, frühen Siebzigern. Ein überdrehtes Jahrzehnt lang hatten Vergnügungsstätten - Restaurants, Bars, Kinos - floriert. Dann kam der unausweichliche Rückgang. Immer weniger Jugendliche ließen ihr Geld hier. Neue Amüsierschuppen mußte man abklappern, in neuen Umgebungen sich sehen lassen. Die Bars machten dicht, die Restaurants folgten nach. Nur der Filmpalast blieb übrig, ein Zeichen zur Erinnerung an unschuldigere Tage, in einem Viertel, das jedes Jahr verwahrloster und gefährlicher wurde.
    Der Dschungel aus Winden und verfaultem Bauholz, der das leerstehende Grundstück erstickte, war Barberio gerade recht.
    Sein Bein piesackte ihn arg, er strauchelte aus purer Übermü dung, und der Schmerz in seinem Bauch verschlimmerte sich.
    Er brauchte einen Fleck, wo er seinen dumpfen Schädel hinle gen konnte, und zwar verdammt schnell. Den Rest Southern Comfort hinunterkippen und über Geraldine nachdenken.
    Es war halb zwei Uhr nachts. Das Grundstück war ein Katzen-Treffpunkt. Aufgeschreckt liefen sie durch das mannshohe Unkraut, während er ein paar verbarrikadierende Balken zur Seite stieß und ins Dunkel hineinglitt. Der Zufluchtsort stank nach Pisse, von Menschen und von Katzen, nach Müll, nach alten Feuern, aber Barberio kam sich vor wie in einem Asyl.
    Er stützte sich mit dem Unterarm an der Rückwand des Filmpalastes ab und erbrach seinen Mageninhalt: Southern Comfort und Säure. Ein, zwei Meter weiter hatte irgendwer aus Eisenträgern, feuergeschwärzten Bohlen und Wellblech ein behelfsmäßiges Lager längs der Wand errichtet. Ideal, dachte er, ein Unterschlupf im Unterschlupf. Sing-Sing lächelte ihn an, breitestes, fetttriefendes Wohlwollen. Mit leichtem Stöhnen (der Bauch war wirklich schlimm heute nacht) wankte er die Wand entlang zu dem angebauten Lager, duckte sich und schlüpfte durch die Tür.
    Noch jemand hatte diesen Platz zum Schlafen benutzt: Als er sich hinsetzte, konnte er feuchtes Sackleinen unter seiner Hand fühlen, und eine Flasche klirrte irgendwo links von ihm gegen einen Ziegel. In unmittelbarer Nähe machte sich ein Geruch bemerkbar, über den er lieber nicht zu viel nachdachte, da er ihn an den Rückstau verstopfter Abwasserkanäle erinnerte. Ein schmuddliges Loch, alles in allem, aber ungefährlicher als die Straße. Er saß da, mit dem Rücken an der Wand des

Weitere Kostenlose Bücher