Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das 3. Buch Des Blutes - 3

Das 3. Buch Des Blutes - 3

Titel: Das 3. Buch Des Blutes - 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
Vom Netzwerk:
ins Kittchen wanderte. Wenn er das Pech hätte, daß sie ihn stellten, würde er sich das Schießeisen in den Mund stecken und sich den Hirnkasten wegpusten. Lebend bekämen die ihn nie und nimmer in diese Zelle zurück.
    Das Leben war einfach zu lang, wenn man hinter Schloß und Riegel saß und jede Sekunde zählte. Nur ein paar Monate hatte ergebraucht, um diese Lektion zu lernen. Das Leben war lang und blödsinnig monoton und entnervend, und wenn man nicht aufpaßte, glaubte man schnell, es sei besser zu sterben, als in diesem für jeden höchstpersönlich reservierten Scheiß-Loch weiterzuvegetieren. Letzten Endes besser, sich mitten in der Nacht am eigenen Gürtel aufzuknüpfen, als sich noch weiter dem trostlosen Stumpfsinn der nächsten vierundzwanzig Stunden auszusetzen, und das geschlagene sechsundachtzig tausendvierhundert Sekunden lang.
    Also setzte er alles auf eine Karte.
    Erst kaufte er ein Schießeisen auf dem Gefängnisschwarzmarkt. Es kostete ihn alles, was er hatte, sowie eine Handvoll Schuldscheine, die er draußen einlösen mußte, wenn er am Leben bleiben wollte. Dann unternahm er den auffälligsten Schritt bei dem Coup: Er erkletterte die Mauer. Und egal welcher Gott sich um die Spirituosenläden-Räuber dieser Welt kümmerte - jedenfalls kümmerte der sich um ihn in jener Nacht, denn hol’s der Teufel, wenn er nicht ruckzuck über die Mauer setzte und abschwirrte, ohne daß auch nur eine Hundeschnauze an seinen Fersen schnüffelte.
    Und die Bullen? Also die lagen völlig schief, murksten und stümperten herum seit Sonntag, suchten dort nach ihm, wo er nie hingekommen war, nahmen seinen Bruder und seine Schwägerin unter dem Verdacht fest, ihn versteckt zu haben, obwohl die doch nicht mal wußten, daß er ausgebrochen war, veröffentlichten einen detaillierten Steckbrief mit genauer Personenbeschreibung, so wie er vor der Haft gewesen war, zehn Kilo schwerer als jetzt. All das erfuhr er von Geraldine, einer Dame, die er in den guten alten Tagen hofiert hatte; auch der Verband an seinem Bein stammte von ihr und die mittlerweile fast leere Flasche Southern Comfort in seiner Tasche. Er hatte das Gesöff und die Sympathie genommen und war weitergezogen, im Vertrauen auf die berühmte Idiotie des Gesetzes und den Gott, der ihn schon so weit vorangebracht hatte.
    Sing-Sing nannte er diesen Gott. Malte ihn sich aus als einen fetten Burschen mit einem breiten Grinsen von einem Ohr zum ändern, einer Edelsalami in der einen Hand und einer Tasse schwarzen Kaffee in der ändern. In Barberios Vorstellung roch Sing-Sing wie ein voller Bauch daheim bei Mama, damals, als Mama noch richtig im Kopf und er ihr Stolz und ihre Freude gewesen war.
    Unglücklicherweise hatte Sing-Sing gerade in die andere Richtung geschaut, als der einzige Adleraugen-Bulle in der ganzen Stadt sah, wie Barberio in einer Seitengasse ‘ne Stange Wasser hinstellte, und ihn an seiner altmodischen Gefängniskluft erkannte. Junger Bulle, konnte höchstens fünfundzwanzig gewesen sein, darauf aus, den Helden zu spielen. War zu blöd, um aus Barberios Warnschuß den einzig richtigen Schluß zu ziehen. Anstatt in Deckung zu gehen und Barberio abhauen zu lassen, hatte er es unbedingt wissen wollen und war die Gasse runter und direkt auf ihn losgegangen.
    Barberio blieb keine Wahl. Er feuerte.
    Der Bulle erwiderte das Feuer. Irgendwo mußte sich Sing-Sing eingeschaltet haben: Er vermasselte dem Bullen das anvisierte Ziel, so daß die Kugel, die Barberios Herz hätte finden sollen, ihn am Bein erwischte; den Gegenschuß lenkte er indessen schnurstracks in die Nase des Bullen. Adlerauge sackte zusammen, als hätte er sich gerade an eine Verabredung mit dem Boden erinnert, und Barberio machte ‘ne Fliege, fluchend, blutend und verängstigt. Er hatte noch nie einen Mann erschossen, und sein erster war gleich ein Bulle. Recht ordentlicher Einstieg ins Gewerbe.
    Sing-Sing war trotzdem noch mit ihm. Die Kugel im Bein tat ihm weh, aber dank Geraldines Bemühungen hatte die Bluterei aufgehört, der Alkohol, dieses Wundermittel, hatte den Schmerz erträglich gemacht, und, bitte, hier war er, einen halben Tag später, müde, aber am Leben; hatte schon die halbe Stadt hinter sich, eine Stadt, in der es vor rachsüchtigen Bullen nur so wimmelte: wie die Psychopathen-Parade auf einem Polizistenball. Das einzige, worum er seinen Beschützer jetzt bat, war ein Plätzchen, auf dem er sich eine Zeitlang ausruhen konnte. Keine Ewigkeit, nur so lange, daß er

Weitere Kostenlose Bücher