Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das 3. Buch Des Blutes - 3

Das 3. Buch Des Blutes - 3

Titel: Das 3. Buch Des Blutes - 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
Vom Netzwerk:
oder man machte sich wirklich einen saublöden Jux mit ihm.
    »He, Mann«, schleuderte er dieser hundsgemeinen Fiktion entgegen, und wirbelte dabei auf den Hacken herum, um zu sehen, ob er d en Angreifer ausfindig machen könnte. Aber er bekam keinen zu Gesicht. Der Staub hatte ihn vollkommen angeschlossen, jede Bewegung nach vorn oder hinten bedeutete Gefahr. Möglicherweise war der Revolvermann in unmittelbarer Nähe und wartete nur darauf, daß er einen Schritt in seine Richtung machte.
    »Ich mag das nicht«, sagte er laut, in der Hoffnung, die reale Welt würde ihn irgendwie hören und einschreiten, um seinen ruinierten Verstand zu retten. Er kramte in seiner Jeanstasche nach ein, zwei Pillen, nach irgend etwas, das die Lage verfce*’, sern könnte, aber seine künstlichen Stimmungsmacher warep ausgegangen; absolute Ebbe, nicht mal ein armseliges Valium hielt sich in seiner Taschennaht verborgen. Er fühlte sich nackt. Ein schlechter Zeitpunkt, mutterseelenallein inmitten Zane-Greyscher-Western -Alpträume verlorenzugehen.
    Ein zweiter Schuß ertönte, aber diesmal gab’s kein Pfeifen.
    Ricky war überzeugt, dies bedeutete, daß man ihn erschossen hatte, aber da es weder Schmerz noch Blut gab, war es schwierig, sich ganz sicher zu sein.
    Dann hörte er das unverkennbare Klappgeräusch der Saloontür und das Stöhnen eines anderen menschlichen Wesens irgendwo in der Nähe. Einen Augenblick lang öffnete sich ein Riß im Sturm. War durch ihn hindurch tatsächlich der Saloon zu sehen, aus dem ein junger Mann stolperte und eine gemalte Welt aus Tischen, Spiegeln und Revolverhelden hinter sich ließ ? Bevor er sich richtig darauf einstellen konnte, war der Ri8
    schon mit Sand vernäht; war wohl eine Halluzination gewesen. Und dann, schrecklich, war der junge Mann, nach dem er Ausschau gehalten hatte, wieder da, drei Handbreit entfernt, die Lippen blau vom Tod, und stürzte nach vorn in Rickys Arme. Zu einer Rolle in diesem Film paßten seine Klamotten ebensowenig wie die von Ricky. Seine Fliegerjacke kopierte lediglich den Stil aus den Fünfzigern, auf seinem T-Shirt lächelte Mickymaus.
    Ihr linkes Auge war blutunterlaufen und blutete noch immer.
    Zweifellos hatte die Kugel das Herz des jungen Mannes gefunden. Mit seinem letzten Atemzug brachte er noch heraus:
    »Was’n los, verdammter Scheiß?« und starb.
    Wie bei letzten Worten üblich, war das wenig stilvoll, aber tief empfunden. Ricky starrte einen Augenblick lang in das reglose Gesicht des jungen Mannes, aber die tote Last in seinen Armen wurde ihm zu schwer, und es blieb ihm nichts übrig, als ihn fallen zu lassen. Als der Körper auf dem Boden aufschlug, schien sich der Staub einen Sekundenbruchteil in pissegefleckte Fliesen zu verwandeln. Dann hatte die Fiktion wieder den Vorrang, und der Staub wirbelte, und die Unkrautbesen fegten, und er stand mitten in der Main Street von Deadwood Canyon, mit einer Leiche zu seinen Füßen.
    Körperlich fühlte sich Ricky jetzt fast haargenau so wie auf Turkey. Seine Glieder begannen einen Veitstanz, und der Drang zum Pissen überkam ihn, überstark. Noch eine halbe Minute, und er würde sich die Hosen naß machen.
    Irgendwo, dachte er, irgendwo in dieser Wahnsinnswelt gibt’s ein Pissoir. Eine graffitibeschmierte Wand, mit Telefonnummern für die Sexomanen, mit dem auf die Kacheln hingekritzelten »Kein Schutz vor Fallout in diesem Schuppen«, und einem Haufen obszöner Zeichnungen. Wasserkästen gibt es und leere Toilettenpapierhalter und zerbrochene Klobrillen. Es gibt den Schmuddelmief von Pisse und alten Fürzen. Los, find es! Finde um Himmels willen das, was wirklich vorhanden ist, bevor die Fiktion einen bleibenden Schaden bei dir anrichtet.
    Wenn, um die Sache mal logisch anzugehen, der Saloon und die Gemischtwarenläden die Toilettenkabinen sind, dann muß das Pissor hinter mir sein, argumentierte er. Also, geh ein paar Schritte zurück. Dabei kann dir auf keinen Fall mehr passieren, als wenn du hier mitten auf der Straße stehenbleibst, während jemand wahllos auf dich losballert.
    Zwei Schritte, zwei vorsichtige Schritte, und er stieß nur auf Luft. Aber nach dem dritten - ja, was haben wir denn da? berührte seine Hand eine kalte Kachelfront.
    »Juchhe!« rief er. Es war das Pissoir; wie wenn man Gold in einer Schaufel Abfall findet, so kam ihm diese Berührung vor.
    War das nicht der widerwärtige Desinfektionsmittelgeruch, der von der Abflußrinne hochwehte? Aber ja, Junge, er war es.
    Unter weiteren

Weitere Kostenlose Bücher