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Das 3. Buch Des Blutes - 3

Das 3. Buch Des Blutes - 3

Titel: Das 3. Buch Des Blutes - 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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in Citizen Kam, Brando und die Crawford, Tracy und die Hepburn - Personen, die so tief in unser Herz eingegraben sind, daß sie keine Vornamen brauchen. Und viel wirkungsvoller war es, von diesen kurzen Momentaufnahmen lediglich aufgereizt zu werden, nur den Schmelz des bevorstehenden Kusses, nicht den Kuß selber gezeigt zu bekommen; den Schlag, nicht die Versöhnung; den Schatten, nicht das Monster; die Wunde, nicht den Tod.
    Es hatte sie in seiner Gewalt, ohne jeden Zweifel. An ihren Augen wurde sie festgehalten, so sicher, als ob es sie an ihren Stielen herausgenommen und angekettet hätte.
    »Bin ich schön?« sagte es.
    Doch, es war schön.
    »Warum gibst du dich mir nicht hin?«
    Sie hatte zu denken aufgehört, ihre analytischen Kräfte waren aus ihr herausgeflossen - bis im Bilderwirrwarr etwas auftauchte, das sie schlagartig in ihr Selbst zurückwarf. »Dumbo«.
    Der dicke Elefant. Ihr dicker Elefant; weiter nichts, der dicke Elefant, den sie für sich selbst gehalten hatte.
    Der Bann war gebrochen. Sie schaute weg von dem Geschöpf.
    Einen Moment lang sah sie, aus den Augenwinkeln, etwas Widerwärtiges und Besudeltes unter dem Glamour. Als Kind hatten s ie sie Dumbo genannt, alle Kinder aus ihrem Block.
    Zwanzig Jahre hatte sie mit diesem lächerlichen grauen Horror gelebt, außerstande, ihn jemals abzuschütteln. Sein fetter Körper erinnerte sie an ihr Fett, sein verlorener Blick an ihre Isolation. Sie stellte ihn sich wieder vor, gewiegt im Rüssel seiner Mutter, geächtet als verrückter Elefant, und sie wollte das gefühlsduselige Wesen bewußtlos prügeln.
    »Eine bekackte Lüge isses!« spie sie es an.
    »Ich weiß nicht, was du meinst«, protestierte es.
    »Was ist denn unter dem ganzen Brimborium? Wahrscheinlich was ganz Ekliges.«
    Das Licht begann zu flackern, die Filmparade kam ins Stocken.
    Hinter den Vorhängen aus Licht konnte sie eine andere, schmächtige und dunkle Gestalt lauern sehen. Zweifel strahlte sie aus. Zweifel und Angst vorm Sterben. Auf zehn Schritt konnte sie ihr die Angst anriechen, soviel war sicher.
    »Was bist du, da drunter?« Sie machte einen Schritt darauf zu.
    »Was versteckst du? Na?«
    Es fand eine Stimme. Eine verschreckte, menschliche Stimme.
    »Du hast nichts mit mir zu schaffen.«
    »Du hast versucht, mich umzubringen.«
    »Ich will leben.«
    »Ich auch.«
    Es wurde dunkel an diesem Ende des Gangs, und ein alter, schlechter Geruch breitete sich hier aus, nach Aas. Sie kannte Aas, es war etwas Tierisches. Erst letztes Frühjahr, als der Schnee geschmolzen war, hatte sie etwas ganz und gar Totes im Hof hinter ihrem Apartment gefunden. Ein kleiner Hund, eine große Katze, schwer zu sagen. Irgendein Haustier, das vorigen Dezember in den überraschenden Schneefällen an Kälte eingegangen war. Jetzt war es über und über von Maden belagert, gelblichen, gräulichen, rötlichen: eine pastellfarbene Fliegenmaschine mit tausend beweglichen Teilen.
    Es hatte den gleichen Gestank um sich, der hier in der Luft hing. Vielleicht war das irgendwie das Fleisch hinter der Phan
    tasmagorie.
    Sie nahm ihren ganzen Mut zusammen und rückte, während ihr die Augen noch immer von »Dumbo« brannten, gegen die schwankende Fata Morg ana vor, den Arschaufreißer gezückt für den Fall, daß das Ding irgendwelche krummen Touren probieren sollte.
    Die Bretter unter ihren Füßen knarrten, aber sie war zu sehr an ihrer Beute interessiert, um auf ihre Warnungen zu hören. Es war Zeit, daß sie diesen Killer zu fassen bekam, ihn schüttelte und ihn dazu brachte, sein Geheimnis auszuspucken.
    Sie hatten jetzt den Gang der Länge nach fast hinter sich gebracht, sie auf dem Vormarsch, es auf dem Rückzug. Für das Ding gab’s keinerlei Ausweichmöglichkeit mehr.
    Plötzlich zerkrachten unter ihrem Gewicht splitternd die Bodenbretter zu staubigen Trümmern, und in einer Staubwolke stürzte sie durch den Boden. Den Arschaufreißer ließ sie fallen, als sie ihre Hände ausstreckte, um sich an irgend etwas festzuhalten, aber alles war wurmstichig und zerbröckelte unter ihrem Zugriff.
    Unbeholfen stürzte sie und landete hart auf etwas Weichem.
    Hier war der Aasgeruch unvergleichlich stärker, er lockte den Mageninhalt die Kehle hoch. Sie streckte die Hand aus, um sich in der Dunkelheit aufzurichten, und ringsum stieß sie auf Schleim und Kälte. Es kam ihr vor, als hätte man sie in einen Behälter voll teilweise ausgenommenem Fisch gekippt. Über ihr fiel das zaghafte Licht durch die Bretter, um

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