Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das 3. Buch Des Blutes - 3

Das 3. Buch Des Blutes - 3

Titel: Das 3. Buch Des Blutes - 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
Vom Netzwerk:
und ging ihres Wegs, mit der festen Absicht, lang zu leben, jetzt da der Nachspann zu dieser besonderen Komödie abgerollt war.

    Es war keine wirkliche Insel, auf die uns die Flut getrieben hatte, es war ein ausgestorbener Steinhügel. Einen buckligen Scheißhaufen wie diesen eine Insel zu nennen ist pure Schmeichelei. Inseln sind Oasen im Meer, grün und lebensstrotzend.
    Dies ist ein gottverlassener Ort, keine Robben im Wasser, keine Vögel in der Luft. Ich kann mir nicht vorstellen, wozu ein Ort wie dieser gut sein soll, außer daß man von ihm sagen könnte: Ich sah das Herz des Nichts und habe überlebt.
    »Sie ist auf keiner der Karten«, sagte Ray, der gerade über einer Seekarte der Inneren-Hebriden brütete, den Fingernagel an dem Fleck, an dem wir seiner Berechnung nach sein mußten.
    Sie war, wie er gesagt hatte, eine leere Stelle auf der Karte, nur blaues Meer ohne das geringste Tüpfelchen, welches das Vorhandensein dieses Felsens verzeichnet hätte. Also waren es nicht nur die Robben und Vögel, die sie ignorierten, die Kartenmacher hatten es nicht anders gehalten. In der Nachbarschaft von Rays Fin ger waren ein oder zwei Pfeile, die die Strömungen markierten, die uns nach Norden hätten bringen sollen: winzige rote Richtungsweiser auf einem Papierozean.
    Der Rest war wie die Welt da draußen kahl und verödet.
    Jonathan frohlockte natürlich, sobald er entdeckte, daß der Ort nicht einmal auf der Karte zu finden war. Er schien sich augenblicklich entlastet zu fühlen. Schuld an unserem Hiersein war nicht mehr er, sondern die Kartenmacher. Man konnte ihn für unsere Strandung nicht mehr verantwortlich machen, wenn der Hügel nicht einmal auf den Karten verzeichnet war. Der schuldbewußte Ausdruck, den er seit unserer nicht vorgesehenen Ankunft an den Tag gelegt hatte, wich einer Miene der Selbstzufriedenheit.
    »Einen Ort, der nicht existiert, kann man schlecht umsegeln, oder?« krähte er. »Kann man doch echt nicht, oder?«
    »Du hättest die Augen aufmachen sollen, die du im Kopf hast«, schleuderte ihm Ray brüsk als Antwort entgegen.
    Aber Jonathan hatte nicht vor, sich von einer vernünftigen Kritik einschüchtern zu lassen. »Es geschah so plötzlich, Raymond«, sagte er. »Im Ernst, in diesem Nebel hatte ich keine Chance. Diese Insel hat uns geschafft, noch eh’ ich’s gemerkt habe.«
    Es war plötzlich geschehen, daran gab es nichts zu deuteln. Ich war in der Kombüse gewesen, um das Frühstück zuzubereiten, für das neuerdings ich zuständig war, da weder Angela noch Jonathan irgendeine Begeisterung für diese Aufgabe zeigten, als der Rumpf der »Emmanuelle« auf Strandkies knirschte und sich dann stark vibrierend vorwärtspflügte, auf den steinigen Strand hinauf. Einen Augenblick war alles still — dann begann das Gebrüll. Ich stieg aus der Kombüse an Deck und stieß dort auf Jonathan, der blöde grinsend dastand und mit den Armen herumfuchtelte, um seine Unschuld zu signalisieren.
    »Frag mich nicht«, sagte er, »ich weiß nicht, wie’s passiert ist.
    Eben fahren wir noch die Küste entlang …«
    »Ach du Himmelherrgott Kruzifixscheiße verdammte!« Ray kletterte aus der Kabine. Er war noch damit beschäftigt, sich die Jeans anzuziehen, und machte den Eindruck, als sei ihm die Nacht mit Angela in einer Koje ziemlich schlecht bekommen.
    Mir war die zweifelhafte Ehre widerfahren, die ganze Nacht ihren Orgasmen zuhören zu dürfen; Angela war zweifellos anspruchsvoll. Jonathan begann seine Ve rteidigungsrede wieder von vorn: »Frag mich nicht …«, aber Ray brachte ihn mit wenigen ausgewählten Beleidigungen zum Schweigen. Während die Auseinandersetzung an Deck tobte, zog ich mich in die schützende Enge der Kombüse zurück. Es verschaffte mir keine geringe Genugtuung zu hören, wie Jonathan wüst beschimpft wurde; ich hoffte sogar, daß Ray seine coole Haltung weit genug abbauen würde, um diese vollendete Hakennase blutig zu schlagen.
    Die Kombüse glich einem Schlabberkübel. Das Frühstück, das ich grade zubereitet hatte, war über den ganzen Boden verteilt, und ich ließ es dort liegen, die Eidotter, die Toastscheiben und den Räucherschinken, die jetzt allesamt in Pfützen verschütteten Fetts erstarrten. Das ging auf Jonathans Konto; sollte er es aufwischen. Ich goß mir ein Glas Grapefruitsaft ein, wartete, bis die gegenseitigen Beschuldigungen verklangen, und ging wieder hinauf.
    Es war kaum zwei Stunden nach Tagesanbruch, und der Nebel, der diese Insel vor Jonathans

Weitere Kostenlose Bücher