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Das 3. Buch Des Blutes - 3

Das 3. Buch Des Blutes - 3

Titel: Das 3. Buch Des Blutes - 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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auf der Insel, hielten Ausschau nach Hilfe.
    Jonathan saß auf meinem Platz am Heck und musterte angestrengt den Nebel draußen. Mehr um das Schweigen zu brechen als aus sonst einem Grund, sagte ich: »Hat sich ein bißchen gehoben, find’ ich.«
    »Wirklich?«
    Ich stellte einen Becher schwarzen Kaffee neben ihn.
    »Danke.«
    »Wo sind die anderen?«
    »Auf Erkundung.«
    Er sah sich nach mir um, sein Blick verriet Verwirrung. »Ich komm’ mir noch immer wie ‘n Stück Scheiße vor.«
    Ich bemerkte die Flasche Gin neben ihm auf dem Boden.
    »Bißchen früh zum Trinken, nicht?«
    »Auch was?«
    »Es ist noch nicht mal elf.«
    »Wen juckt’s?«
    Er deutete mit dem Finger aufs Meer hinaus. »Schau mal«,sagte er.
    Ich lehnte mich über seine Schulter und blickte in die angegebene Richtung.
    »Nein, du schaust nicht zur richtigen Stelle. Dorthin! Siehst du’s?«
    »Nichts.«
    »Am Rand des Nebels. Es taucht auf und verschwindet. Da! Da isses wieder!«
    Und tatsächlich sah ich etwas im Wasser, zwanzig oder dreißig Meter vom Heck der »Emmanuelle« entfernt. Braunfarbig, runzelig drehte es sich um die eigene Achse.
    »Ein Seehund«, sagte ich.
    »Glaub’ ich nicht.«
    »Die Sonne wärmt das Meer auf. Wahrscheinlich kommen sie hierher, um sich im seichten Wasser zu sonnen.«
    »Sieht nicht aus wie ‘n Seehund. Es wälzt sich so komisch …«
    »Vielleicht ein Stück Treibgut …«
    »Könnte sein.« Er nahm einen kräftigen Schluck aus der Flasche.
    »Laß was für heut abend übrig!«
    »Ja, Mutter.«
    Ein paar Minuten saßen wir still da. Bloß die Wellen auf dem Strand. Platsch. Platsch. Platsch.
    Hin und wieder kam der Seehund - oder was immer es war - an die Oberfläche, wälzte sich herum und verschwand wieder.
    Noch eine Stunde, dachte ich, dann fängt der Gezeitenwechsel an und schwemmt uns fort von diesem kleinen Nachtrag zur Schöpfung.
    »He!« Angelas Stimme aus einiger Entfernung. »He, Jungs!«
    Jungs nannte sie uns.
    Jonathan stand auf, beschirmte mit einer Hand die Augen gegen den blendenden Glanz sonnenbeschienenen Felsgesteins. Es war jetzt viel heller; und es wurde fortwährend heißer.
    »Sie winkt uns«, sagte er gleichgültig.
    »Soll sie winken.«
    »Jungs!« kreischte sie und winkte mit den Armen. Jonathan legte die hohlen Hände rechts und links um den Mund und brüllte die Antwort: »Was-willst-du?«
    »Kommt und seht’s euch an!« antwortete sie.
    »Wir sollen kommen und uns was ansehn.«
    »Bin nicht taub.«
    »Na los«, sagte er, »was soll’s schon.«
    Ich wollte mich nicht rühren, aber er zerrte mich am Arm hoch.
    Es lohnte nicht, sich rumzustreiten. Seine Fahne hätte man anzünden können.
    Es fiel uns schwer, den Strand hochzuklettern. Die Steine waren nicht von Meerwasser benetzt, sondern von einer dünnen Schicht graugrüner Algen überzogen; wie Schweiß auf einem Schädel.
    Jonathan bereitete es noch größere Schwierigkeiten vorwärts zu kommen als mir. Zweimal verlor er das Gleichgewicht und fiel mit voller Wucht und fluchend auf den Hintern. Der Hosenboden seiner Shorts war bald ein schmutziges Oliv, und er hatte einen Riß, durch den Jonathans Hinterbacken schimmerten.
    Ich war keine Ballerina, aber ich schaffte es, mich langsam Schritt für Schritt durchzuschlagen; dabei versuchte ich, die großen Felsbrocken zu umgehen, damit ich, sollte ich ausrutschen, nicht tief stürzte.
    Alle paar Meter mußten wir einen Graben mit stinkenden Meerespflanzen überwinden. Mir gelang es, einigermaßen elegant darüberzuspringen, aber Jonathan, blau und sich seines Gleichgewichts nicht sicher, pflügte sich durch die Pflanzen und begrub seine nackten Füße gänzlich in dem Zeugs. Es war nicht nur Tang, sondern der übliche verfilzte Unrat, wie er an jede Küste gespült wird: zerbrochene Flaschen, rostende Coke-Büchsen, abschaumbefleckter Kork, Teerklumpen, Krabbenteile, fahl-gelbe Kondomgummi. Und über diesen stinkenden Abfall krabbelten zwei, drei Zentimeter lange, glotzäugige blaue Fliegen. Hunderte von ihnen; kletterten über die Scheiße und übereinander, summten ihr Lebendigsein und lebten ihr Gesumm.
    Es war das erste Leben, das wir hier zu sehen bekamen.
    Ich tat grade mein Bestes, um bei der Überquerung eines solchen Grabens nicht voll aufs Gesicht zu fallen, als sich links von mir eine kleine Kiesellawine löste. Drei, vier, fünf Steine sprangen übereinander Richtung Meer und setzten beim Hopsen ein weiteres Dutzend Steine in Bewegung.
    Es gab keine sichtbare Ursache

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