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Das 3. Buch Des Blutes - 3

Das 3. Buch Des Blutes - 3

Titel: Das 3. Buch Des Blutes - 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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können sie nicht einfach hierlassen.«
    »Es geht uns nichts an«, sagte ich. Es wurde langweilig, das Ganze. Drei Schafe. Wen kümmerte es, ob sie am Leben blieben oder …
    Das hatte ich vor einer Stunde von mir selber gedacht. Wir hatten etwas gemeinsam, die Schafe und ich. Der Kopf tat mir weh.
    »Sie werden eingehn«, quengelte Angela zum drittenmal.
    »Du bist ein dummes Luder«, teilte ihr Jonathan mit. Die Bemerkung war ohne Bosheit: Ruhig sprach er sie aus als Feststellung einer offenkundigen Tatsache.
    Ich mußte einfach grinsen.
    »Was?« Sie sah aus, als hätte sie etwas gebissen.
    »Ein dummes Luder«, sagte er nochmals. »L-u-d-e-r.«
    Angela errötete vor Wut und Verwirrung und wandte sich nun gegen ihn. »Deinetwegen hängen wir hier fest«, sagte sie mit verächtlich geschürzter Lippe.
    Die unvermeidliche Beschuldigung. Tränen in ihren Augen.
    Von seinen Worten tief getroffen.
    »Hab’ ich absichtlich gemacht«, sagte er, spuckte auf seine Finger und rieb den Speichel in die Schnittstelle. »Ich wollte schaun, ob wir dich hierlassen können.«
    »Du bist betrunken.«
    »Und du bist dumm. Nur bin ich morgen früh wieder nüchtern.«
    Die alte Methode brachte es noch immer bestens.
    Geschlagen trat Angela den überstürzten Rückzug an, den Strand hinunter, hinter Ray her, und versuchte dabei, ihre Tränen zu unterdrücken, bis sie außer Sicht war. Ich empfand beinahe etwas Sympathie für sie. Sie war ein leichtes Opfer, wenn es auf verbale Schlägereien hinauslief.
    »Kannst ein fieses Schwein sein, wenn du’s drauf anlegst«, sagte ich zu Jonathan.
    Er sah mich bloß mit glasigen Augen an. »Sin’ wir lieber Freunde. Dann bin ich auch kein fieses Schwein zu dir.«
    »Du machst mir keine Angst.«
    »Weiß ich.«
    Das Schaf fleisch starrte mich wieder an. Ich starrte zurück.
    »Bekackte Schafe«, sagte er.
    »Sie können nichts dafür.«
    »Wenn sie nur ‘n bißchen Anstand besäßen, dann würden sie sich ihre widerwärtigen Scheißkehlen aufschlitzen.«
    »Ich geh’ zurück zum Boot.«
    »Widerwärtige Kacker.«
    »Kommst du?«
    Er ergriff meine Hand, schnell und fest, und hielt sie in seiner Hand, als würde er sie nie mehr loslassen. Die Augen plötzlich auf mir. »Geh nicht!«
    »Ist zu heiß hier heroben.«
    »Bleib. Der Stein ist angenehm und warm. Leg dich hin.
    Diesmal stören sie uns nicht.«
    »Du hast es mitbekommen?« sagte ich.
    »Dumeinst Ray? Natürlich hab’ ich’s mitbekommen. Hab’ mir gedacht, wir ziehn ‘ne richtige kleine Schaunummer ab.«
    Er zog mich nah an sich heran, Hand über Hand versetzt um meinen Oberarm, als würde er ein Seil einholen. Sein Geruch brachte die Kombüse zurück, sein Stirnrunzeln, seine gemurmelte Beteuerung (»Liebe dich«), das stille Sichzurückziehen.
    Dejä vu.
    Und doch, was sollte man an diesem Tag sonst tun, als sich immer im selben trübseligen Kreis zu bewegen wie die Schafe in der Hürde? Immer rundherum. Atmen, Sex, Essen, Scheißen.
    Der Gin war ihm ins Gemächt gefahren. Er versuchte sein Bestes, aber es bestand keine Hoffnung für ihn. Es war, wie wenn man versucht, Spaghetti einzufädeln.
    Erbost wälzte er sich von mir herunter. »Kacke. Kacke. Kacke.«
    Ein sinnloses Wort. Sobald es wiederholt war, hatte es seine Bedeutung zur Gänze verloren - wie alles andere. Es bezeichnete nichts.
    »Es macht nichts«, sagte ich.
    »Scheiß dich an.«
    »Wirklich nicht.«
    Er sah mich nicht an, starrte bloß auf seinen Schwanz hinunter.
    Wenn er in diesem Moment ein Messer in der Hand gehabt hätte, ich glaube, er hätte ihn abgeschnitten und ihn auf den warmen Felsen gelegt wie auf einen der Sterilität geweihten Altar.
    Ich überließ ihn seinem Selbststudium und kletterte zur »Emmanuelle« zurück. Etwas Sonderbares fiel mir auf unterm Gehen, etwas, das ich vorhin nicht bemerkt hatte. Die blauen Fliegen ließen sich, statt vor mir wegzuschwirren, als ich näher kam, einfach zertreten. Eindeutig lethargisch; oder selbstmörderisch. Sie saßen auf den heißen Steinen und zerplatzten unter meinen Sohlen, ihr buntes kleines Leben ging aus wie so viele andere Lichter.
    Endlich verschwand der Nebel, und als die Luft sich erwärmte, offenbarte die Insel ihre nächste ekelerregende Tücke: den Geruch. Der süße Duft war so bekömmlich wie ein Zimmer voll verfaulender Pfirsiche, schwer und widerwärtig. Wie Sirup drang er durch die Poren und durch die Nasenlöcher ein. Und unter der Süße war noch etwas anderes, um einiges weniger angenehm

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