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Das 3. Buch Des Blutes - 3

Das 3. Buch Des Blutes - 3

Titel: Das 3. Buch Des Blutes - 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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als Pfirsiche, frisch oder verdorben. Ein Geruch wie aus einem offenen, mit altem Fleisch verstopften Gully; wie aus den von Talg und schwarzem Blut überkrusteten Abflußrinnen eines Schlachthauses. Es waren die Meerespflanzen, nahm ich an, obwohl ich noch nie an einer Küste irgend etwas gerochen hatte, das diesem Gestank gleichgekommen wäre.
    Den Weg zur »Emmanuelle« hatte ich schon zur Hälfte zurückgelegt, und ich hielt mir gerade die Nase zu, während ich über einen Graben faulenden Tangs schritt, als ich hinter mir den Lärm eines kleinen Massakers hörte. Jonathans Juchzer satanischer Schadenfreude übertönten beinahe das jämmerliche Wehklagen des sterbenden Schafs, aber ich wußte instinktiv, was der betrunkene Schweinekerl getan hatte.
    Ich kehrte um: Meine Ferse schwenkte um hundertachtzig Grad auf dem Schleim. Für die Errettung dieses Tieres war es mit Sicherheit zu spät, aber womöglich konnte ich ihn daran hindern, die anderen zwei zu massakrieren. Ich konnte die Hürde nicht sehen; sie war von den Felsblöcken verdeckt, aber ich konnte Jonathans triumphierende Schreie hören und das Puff, Puff seiner jähen Hiebe. Ich wußte, was ich sehen würde, bevor ich es zu Gesicht bekam.
    Der grau-grüne Rasen hatte sich gerötet. Jonathan war bei den Schafen in der Hürde. Die zwei Überlebenden preschten in einem rhythmischen Trott panischer Verstörung hin und her, blökten dabei voller Entsetzen, während Jonathan aufrecht über dem dritten Schaf stand. Der Zusammenbruch des Opfers war schon im Gange, seine stockartigen Vorderbeine knickten unter ihm ein, seine Hinterbeine versteifte der nahende Tod.
    Seine Körpermasse wurde von nervösen Zuckungen durchschauert, und seine Augen zeigten mehr Weiß als Braun. Seine Schädeldecke war fast vollständig zertrümmert; der graue Mischmasch des Hirns lag frei, gespickt von splittrigen Knochentrümmern und zermantscht von dem großen runden Stein, den Jonathan noch immer schwang. Und jetzt, vor meinen Augen, wuchtete er die Waffe noch einmal auf die Hirnschale des Schafs hinunter. Gewebebatzen flogen nach allen Richtungen davon, besprenkelten mich mit heißer Hirnsubstanz und Blut. Jonathan sah aus wie ein alptraumhafter Wahnsinniger (was er in diesem Augenblick vermutlich auch war). Sein nackter, vor kurzem noch weißer Körper war besudelt wie eine Metzgerschürze nach einem harten Tagespensum Hämmern im Schlachthof. Sein Gesicht war mehr geronnenes Schafsblut als Jonathan.
    Das Tier war tot. Seine jämmerlichen Klagen hatten aufgehört.
    Es kippte, eher komisch, wie eine Cartoonfigur, auf den Rükken, wobei ein Ohr sich im Draht verfing. Jonathan sah zu, wie es kenterte: sein Gesicht ein Grinsen unter dem Blut. Oh, dieses Grinsen. Es diente so vielen Zwecken. War das nicht dasselbe Lächeln, mit dem er die Frauen bezauberte? Dasselbe Lächeln, das Lüsternheit und Liebe zum Ausdruck brachte?
    Jetzt, endlich, war es in Einklang gebracht mit seinem wahren Zweck: das glotzäugige Grinsen des befriedigten Wilden, der über seiner Beute steht, einen Stein in der einen Hand und sein Mannestum in der ändern.
    Langsam verfiel dann dieses Lächeln, während er wieder zur Besinnung kam.
    »Jesus«, sagte er, und aus seinem Unterleib stieg krampfartig eine Welle des Abscheus empor. Ich konnte ganz deutlich sehen, wie sein Darmtrakt sich umwälzte, während eine Ekelwallung ihm den Kopf nach vorn warf und er halbverdauten Gin und Toast über das Gras spie.
    Ich rührte mich nicht. Ich wollte ihn nicht beruhigen, nicht beschwichtigen, nicht trösten - ich war einfach absolut außerstande, ihm zu helfen.
    Ich wandte mich weg.
    »Frankie«, sagte er, die Kehle voller Galle.
    Ich brachte es nicht über mich, ihn anzusehen. Für das Schaf konnte man nichts mehr tun, es war verendet und hin. Mich schleunigst aus diesem kleinen Steinkreis entfernen und mir den Anblick aus dem Kopf reißen - das war alles, was ich wollte.
    »Frankie.«
    Ich machte mich auf den Weg, ging, so schnell es mir über solch vertracktes Terrain irgend möglich war, wieder hinunter, zum Strand und zur relativen Normalität der »Emmanuelle«.
    Der Geruch war jetzt stärker, stieg mir vom Boden herauf in ekelhaften Schwaden entgegen.
    Grauenvolle Insel. Scheußliche, stinkende, irrsinnige Insel.
    Nichts als Haß beherrschte meine Gedanken, während ich strauchelnd Tang und Unrat überkletterte. Die »Emmanuelle«
    war nicht mehr weit weg …
    Dann ein schwaches Kieselgeprassel wie zuvor. Ich blieb

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