Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das 3. Buch Des Blutes - 3

Das 3. Buch Des Blutes - 3

Titel: Das 3. Buch Des Blutes - 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
Vom Netzwerk:
stehen, balancierte unruhig auf der glitschigen Wölbung eines Steins und schaute nach links, wo eben jetzt einer der rollenden Kiesel zum Stillstand kam. Als er liegenblieb, schien sich ein größerer Kiesel, gute fünfzehn Zentimeter im Durchmesser, selbsttätig von seinem Ruheplatz fortzubewegen und den Strand hinunterzurollen, wobei er an seine Nachbarn schlug und einen neuerlichen Exodus Richtung Meer in Gang setzte.
    Ich runzelte die Stirn: Vom Stirnrunzeln brummte mir der Kopf.
    Gab es unter der Strandoberfläche irgendeine Tierart - womöglich eine Krabbe -, die die Steine bewegte? Oder war es die Hitze, die sie auf irgendeine Weise ins Leben zucken ließ?
    Und wieder: ein noch größerer Stein.
    Ich ging weiter, während sich hinter mir das rieselnde Geknatter und Geprassel fortsetzte, wobei stets eine kleine Serie einer anderen dichtauf folgte und so eine beinahe ununterbrochene Geräuschkulisse erzeugte.
    Ohne genau sagen zu kö nnen, wovor oder weshalb, begann ich, mich zu ängstigen.
    Angela und Ray sonnten sich an Deck der »Emmanuelle«.
    »Noch ein paar Stunden, dann können wir das Luder wieder von seinem Hintern hochkriegen«, sagte Ray und zwinkerte mir aufschauend zu.
    Zuerst glaubte ich, er meine Angela, dann wurde mir klar, daß er vom Flottmachen und der Weiterfahrt des Bootes redete,
    »‘n bißchen Sonne tanken könnt’ auch dir nicht schaden.« Matt lächelte er mich an.
    »Ja, schon.«
    Entweder schlief Angela, oder sie ignorierte mich. So oder so, mir war es nur recht.
    Ich sackte auf dem Sonnendeck zu Rays Füßen zusammen und ließ die Sonne in mich hineinsickern. Die Blutsprenkel auf meiner Haut waren getrocknet wie winzige Schorftupfen.
    Träge kratzte ich sie ab und lauschte dem Geräusch der Steine und dem schwappenden Klatschen der See.
    Hinter mir wurden Seiten umgeblättert. Ich sah mich flüchtig um. Ray, nie imstande, besonders lang still dazuliegen, blätterte ein Bibliotheksbuch über die Hebriden durch, das er von daheim mitgenommen hatte.
    Ich schaute wieder in die Sonne. Meine Mutter hatte immer gesagt, direkt in die Sonne zu schauen brenne einem ein Loch in den Augenhintergrund. Aber da droben war es heiß und lebendig. Ich wollte der Sonne ins Antlitz sehen. Ein Frösteln war in mir - ich weiß nicht, wo es herrührte -, ein Frösteln in meinem Darmtrakt und zwischen meinen Beinen. Das ging und ging nicht weg. Vielleicht würde ich es wegbrennen können, indem ich die Sonne ansah.
    Flüchtig tauchte ein paar Steinwürfe weiter Jonathan in meinem Gesichtskreis auf, wie er auf Zehenspitzen hinunter zum Meer ging. Aus dieser Entfernung verlieh ihm die Mischung aus Blut und weißer Haut das Aussehen eines scheckigen Freaks. Er hatte seine Shorts ausgezogen und kauerte sich am Meeresgrund nieder, um die Reste des Schafs abzuwaschen.
    Dann Rays Stimme, ganz ruhig: »O mein Gott«, sagte er, mit derart untertreibender Zurückhaltung, daß ich wußte, um eine glänzende Neuigkeit konnte es sich nicht handeln.
    »Na sag schon!«
    »Ich hab’ rausgekriegt, wo wir sind.«
    »Gut.«
    »Nein, nicht gut.«
    »Wieso? Wo liegt der Haken?« Ich setzte mich auf und wandte mich ihm zu.
    »Hier steht’s drin, in dem Buch. Ein ganzer Abschnitt über diesen Ort.«
    Angela öffnete ein Auge. »Na?« sagte sie.
    »Es ist nicht irgendeine x-beliebige Insel. Es ist ein Grabhügel.«
    Das Frösteln tief zwischen meinen Beinen ernährte sich von sich selbst, wurde dick und fett. Die Sonne war nicht heiß genug, um mit ihrer Wärme bis dorthin vorzudringen, wo ich am heißesten hätte sein sollen.
    Mein Blick schweifte den Strand entlang. Jonathan wusch sich noch immer, spritzte von unten her Wasser auf seine Brust.
    Die Schatten der Steine wirkten mit einem Mal sehr schwarz und schwer: ihre Kanten lasteten drückend auf den herauf gekehrten Gesichtern von …
    Jonathan winkte, als er mich in seine Richtung schauen sah.
    Ist es denkbar, daß Leichen unter diesen Steinen sind? Mit dem Gesicht nach oben begraben, der Sonne zugewandt, wie Urlauber, hingebreitet auf den Strand in Blackpool?
    Die Welt ist schwarzweiß. Sonne und Schatten. Weiße Stein-Oberseiten und die schwarzen Bäuche darunter. Leben auf der Oberseite, Tod auf der Unterseite.
    »Ein Grab?« sagte Angela. »Und wer liegt hier?«
    »Kriegstote«, antwortete Ray.
    Angela: »Was? Meinst du Wikinger oder so?«
    »Aus dem Ersten Weltkrieg, dem Zweiten Weltkrieg. Soldaten von torpedierten Truppentransportern, angeschwemmte Matrosen.

Weitere Kostenlose Bücher