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Das 3. Buch Des Blutes - 3

Das 3. Buch Des Blutes - 3

Titel: Das 3. Buch Des Blutes - 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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Blüten eine Menge Pflege brauchten, und der Jammer an dem Ganzen war, daß viele von ihnen eingingen, ehe sie endlich Früchte trugen.
    Trotzdem, dieses Jahr noch. O ja, ganz gewiß dieses Jahr noch, es mußte einfach dieses Jahr sein. Der Herbst brachte irgend etwas Gutes, da war er sich absolut sicher.
    Unterdessen sah er zu, wie sich die Falten um seinen bildschönen Mund vertieften (bildschön war er, ohne Zweifel), und überschlug in Gedanken seine Chancen bei diesem Rennen zwischen Zeit und Gelegenheit.
    Es war Viertel nach neun Uhr abends, der 29. September, und es war kühl, selbst im Foyer des Hotels Imperial. Kein Altweibersommer dieses Jahr, der die Straßen in seinen milden Glanz getaucht hätte; der Herbst hielt London in seinen Fängen und schüttelte die Stadt kahl.
    Die frostige Kühle war zu seinem Zahn vorgedrungen, seinem elenden, zerbröckelnden Zahn. Wäre er zum Zahnarzt gegangen, statt sich in seinem Bett auf die andere Seite zu drehen, um noch eine Stunde zu schlafen, dann hätte er jetzt nicht diese Beschwerden. Na ja, jetzt war’s zu spät, er würde morgen hingehen. Jede Menge Zeit morgen. Keine Voranmeldung erforderlich. Er brauchte bloß die Sprechstundenhilfe anzulächeln: Sie würde dahinschmelzen und ihm sagen, sie könne ihn schon noch irgendwo dazwischenschieben, er würde nochmals lächeln, und sie erröten, und er käme auf der Stelle dran, anstatt zwei Wochen warten zu müssen wie die armen Mickerlinge, die kein bildschönes Gesicht hatten.
    Heut abend müßte er sich einfach damit abfinden. Er brauchte lediglich einen einzigen lausigen Freier - einen Ehemann, der tief in die Tasche greifen würde, um ihn sich ebenso tief in den Mund stecken zu dürfen -, dann könnte er sich in ein durchgehend geöffnetes Nachtlokal in Soho zurückziehen und seinen Gedanken nachhängen. Solange sich ihm nicht ausgerechnet ein Beichtfreak an den Hals hängte, konnte er ruck, zuck abspritzen und bis halb elf fertig sein.
    Aber das war nicht sein Abend heute. An der Rezeption des Imperial gab es ein neues Gesicht, ein mageres, geschafftes Gesicht; ein schlecht dazu passender Bettvorleger saß (klebte) ihm auf der Birne. Die Type hatte Gavin jetzt schon eine halbe Stunde auf dem Kieker.
    Der reguläre Empfangschef, Madox, war eine Schrank-Schwuchtel; Gavin hatte ihn ein - oder zweimal die Bars abgrasen sehen. Ein leichtes Opfer, wenn man mit der Sorte umzugehen wußte. Madox war Wachs in Gavins Händen, hatte sich sogar vor ein paar Monaten für eine Stunde seine Gesellschaft gekauft. Noch dazu hatte er einen billigen Tarif bekommen, das war taktisch klug. Aber dieser Neue war rein hetero, und tückisch, und er war über Gavins Spiel im Bilde.
    Lässig schlenderte Gavin zum Zigarettenautomaten, bewegte sich, während er den kastanienbraunen Teppich überquerte, unwillkürlich im Takt der Berieselungsmusik. Lausige bekackte Nacht.
    Als er sich, eine Packung Winston in der Hand, vom Automaten abwandte, wartete der Empfangschef schon auf ihn.
    »Verzeihen Sie … Sir.« Es war eine eingeübte Aussprache, ganz offenkundig unecht.
    Betont unschuldig erwiderte Gavin seinen Blick. »Ja?«
    »Sind Sie tatsächlich Gast dieses Hauses … Sir?«
    »Also, tatsächlich …«
    »Falls nicht, wäre Ihnen die Leitung sehr verbunden, wenn Sie augenblicklich das Lokal räumen würden.«
    »Ich warte auf jemand.«
    »Ach?« Der Empfangschef glaubte ihm kein Wort. »Dann sagen Sie mir nur den Namen …«
    »Nicht nötig.«
    »Sagen Sie mir den Namen«, insistierte der Mann, »und ich schaue gerne nach, ob Ihre … Kontaktperson … im Haus ist.«
    Der Dreckskerl versuchte, die Sache auf die Spitze zu treiben, was die Handlungsalternativen einschränkte. Gavin konnte entweder den Coolen spielen und das Foyer verlassen oder den aufgebrachten Kunden und den anderen in Grund und Boden starren. Er beschloß, mehr aus Boshaftigkeit, denn aus taktischen Gründen, das letztere zu tun.
    »Sie haben überhaupt kein Recht …«, polterte er los, aber der Empfangschef blieb ungerührt.
    »Schau, Burschi«, sagte er, »ich weiß genau, was du vorhast, also werd’ mir hier bloß nicht rotzfrech, sonst hol’ ich die Polizei.« Er hatte die Kontrolle über seine Diktion verloren; mit jeder Silbe rutschte sie weiter südlich der Themse. »Wir haben hier ‘ne feine Kundschaft, und die wollen mit solchen wie dir nichts zu tun haben, klar?«
    »Ficker«, sagte Gavin ganz ruhig.
    »Ist doch immer noch besser als Schwanzlutscher,

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