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Das 3. Buch Des Blutes - 3

Das 3. Buch Des Blutes - 3

Titel: Das 3. Buch Des Blutes - 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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oder?«
    Eins zu null.
    »Also, Burschi - schwänzelst du jetzt hier gefälligst mit eigener Kraft raus, oder sollen dich die blauen Jungs in Handschellen rausschaffen?«
    Gavin spielte seinen letzten Trumpf aus. »Wo ist Mr. Madox?
    Ich möchte Mr. Madox sprechen, er kennt mich.«
    »Sicher tut er das«, schnaubte der Empfangschef verächtlich,
    »todsicher tut er das. Er wurde wegen unsittlichen Verhaltens entlassen.« Der künstliche Akzent stellte sich wieder ein. »Ich würde also den Namen hier lieber nicht erwähnen, wenn ich du wäre. Okay? Ab mit dir.«
    Der Empfangschef hatte endgültig seine Überlegenheit bewiesen. Er trat zurück wie ein Matador und bedeutete dem Stier vorbeizugehen.
    »Die Direktion dankt für Ihre werte Gönnerschaft. Bitte, sprechen Sie nicht wieder vor.«
    Satz, Spiel und Match an den Mann mit dem Bettvorleger. Na, hol’s der Teufel, es gab noch andere Hotels, andere Foyers, andere Empfangschefs. Er mußte sich diese ganze Scheiße wirklich nicht antun.
    Während Gavin die Tür aufstieß, warf er ein lächelndes »Wir sehn uns noch« über die Schulter. Vielleicht würde das diese Wanze in einer der nächsten Nächte zum Schwitzen bringen, wenn sie auf dem Nachhauseweg den Schritt eines jungen Mannes hinter sich auf der Straße hörte. Es war eine windige Genugtuung, aber immerhin besser als nichts.
    Die Tür flog zu, sperrte die Wärme weg und Gavin aus. Es war kälter, wesentlich kälter als zu dem Zeitpunkt, da er das Foyer betreten hatte. Ein feines Nieseln hatte eingesetzt und drohte sich noch zu verschlimmern, als er die Park Lane Richtung South Kensington hinuntereilte. An der High Street waren ein paar Hotels, in die er sich eine Weile verkriechen konnte; wenn dabei nichts herauskam, würde er sich geschlagen geben.
    Der Verkehr brauste um Hyde Park Corner, raste zur Knightsbridge oder Victoria, zielbewußt und hell. Er sah sich selbst, wie er da auf der Betoninsel zwischen den zwei gegenläufigen Wagenströmen stand, die Fingerspitzen in die Jeans gesteckt (die zu eng waren, als daß er mehr als das erste Gelenk in den Taschen untergebracht hätte), einsam und elend.
    Eine Woge des Unglücklichseins stieg aus irgendeiner verschütteten Region in ihm auf. Er war vierundzwanzig Jahre und fünf Monate alt. Seit seinem siebzehnten Lebensjahr war er, mit kurzen Unterbrechungen, als Stricher tätig, stets in der Hoffnung, vor seinem Fünfundzwanzigsten eine heiratsfähige Witwe (die Pension des Gigolo) oder eine legale Beschäftigung aufzutreiben.
    Aber die Zeit verging, und nichts wurde aus seinen Ambitio nen. Er verlor nur Schwungkraft und gewann eine neue Falte unter dem Auge hinzu.
    Und noch immer kam der Verkehr in hellen Strömen: Lichter signalisierten dieses oder jenes Muß, Wagen voller Menschen, die Stufenleitern zu erklimmen und Schlangen niederzuringen hatten. Wie sie da in ihrer gierigen Zielgerichtetheit an ihm vorbeifuhren, isolierten sie ihn vom anderen Ufer, von der Sicherheit.
    Er war nicht, was er sich zu werden erträumt oder insgeheim in Aussicht gestellt hatte.
    Und Jungsein, das war einmal.
    Wohin sollte er jetzt gehen? In der Wohnung käme er sich heute nacht wie im Gefängnis vor, selbst wenn er ein bißchen Hasch rauchte, um dem Zimmer die Härte zu nehmen. Er wollte, nein, er mußte unbedingt heute nacht mit jemandem Zusammensein. Einfach seine Schönheit mit den Augen von jemand anderem sehen. Gesagt bekommen, wie vollkommen seine Proportionen seien, sich mit Wein und Abendessen bewirten, mit Schmeicheleien betütern und betäuben lassen selbst wenn der edle Spender Quasimodos reicherer, häßlicherer Bruder sein sollte. Heute nacht brauchte er dringend einen Schuß Zuneigung.
    Der Aufriß klappte so sagenhaft gut, daß er daraufhin die Episode im Foyer des Imperial beinah vergaß. Ein Kerl so um die Fünfundfünfzig, gut betucht: Gucci-Schuhe, ein hochklassischer Mantel. Mit einem Wort: Qualität.
    Gavin stand im Eingang eines winzigen Filmkunst-Studios und überflog die Anfangszeiten des Truffaut-Films, der hier gerade lief, als er bemerkte, wie der Freier ihn anstarrte. Er besah sich den Kerl flüchtig, um sich zu vergewissern, ob ein Aufriß in Aussicht stand. Der direkte Blick schien den Freier zu entmutigen, er ging weiter. Dann schien er es sich anders zu überlegen, murmelte irgend etwas vor sich hin, ging die paar Schritte wieder zurück und zeigte ein erkennbar geheucheltes Interesse am Kinoprogramm. Offensichtlich mit diesem Spiel nicht

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