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Das 3. Buch Des Blutes - 3

Das 3. Buch Des Blutes - 3

Titel: Das 3. Buch Des Blutes - 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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allzu vertraut, dachte Gavin; ein Anfänger.
    Beiläufig nahm Gavin eine Winston heraus und zündete sie an, das aufflackernde Zündholz in den hohlen Händen überglänzte golden seine Backenknochen. Tausendmal hatte er das schon gemacht, häufig genug auch vor dem Spiegel, zum eigenen Vergnügen. Genau im richtigen Moment schaute er flüchtig von dem winzigen Feuer auf: Das erfüllte immer seinen Zweck. Als er diesmal dem nervösen Blick des Freiers begegnete, wandte er sich nicht ab.
    Gavin zog an der Zigarette, schnippte das Zündholz aus und ließ es fallen. Seit mehreren Monaten hatte er keinen derartigen Aufriß mehr gemacht, aber es befriedigte ihn durchaus, daß er den Bogen noch immer raushatte. Das absolut sichere Erkennen eines potentiellen Kunden, das indirekte Sich-An-bieten über Augen und Lippen, das als unschuldige Freundlichkeit ausgelegt werden konnte, falls er sich geirrt hatte.
    Doch hier lag kein Irrtum vor, das war astreine Ware. Die Augen des Mannes klebten an Gavin, so hingerissen von ihm, daß er körperlich darunter zu leiden schien. Sein Mund stand offen, als wären ihm die einleitenden Worte weggeblieben.
    Kein besonders beeindruckendes Gesicht, aber alles andere als häßlich. Zu oft gebräunt, und das zu schnell: Womöglich hatte er im Ausland gelebt. Er nahm an, daß der Mann Engländer war; sein zögerliches Verhalten sprach dafür.
    Entgegen seiner Gewohnheit machte Gavin den Eröffnungszug. »Mögen Sie französische Filme?«
    Vor Erleichterung, daß das Schweigen zwischen ihnen gebrochen war, schien der Freier zusammenzuschrumpfen. »Ja«, sagte er.
    »Gehn Sie rein?«
    Der Mann schnitt eine Grimasse. »Äh … ich, äh … glaub’
    nicht.«
    »Bißchen kalt …«
    »Kann man sagen.«
    »Bißchen kalt, um rumzustehn, mein’ ich.«
    »Oh - ja.« Der Freier schluckte den Köder. »Mögen Sie vielleicht … einen Drink?«
    Gavin lächelte. »Klar, warum nicht?«
    »Ich wohn’ nicht weit von hier.«
    »Klar.«
    »Mir is’ daheim ‘n bißchen die Decke auf den Kopf gefallen, wissen Sie.«
    »Kenn’ das Gefühl.«
    Jetzt lächelte der andere. »Sie sind … ?«
    »Gavin.«
    Der Mann bot ihm seine lederbehandschuhte Rechte. Sehr förmlich, geschäftsmäßig. Als sie sich die Hand schüttelten, griff er fest zu, von seinem vorherigen Zaudern war keine Spur mehr vorhanden. »Ich bin Kenneth«, sagte er, »Ken Reynolds.«
    »Ken.«
    »Schaun wir, daß wir ins Warme kommen?«
    »Is’ mir recht.«
    »Is’ nur ‘n Katzensprung bis zu mir.«
    Ein Schwall muffiger Zentralheizungsluft schlug ihnen entgegen, als Reynolds die Tür zu seiner Wohnung aufmachte. Vom Treppensteigen bis in den dritten Stock hinauf war Gavin fast die Puste ausgegangen, Reynolds hingegen merkte man überhaupt nichts an. Fitneß-Freak womöglich. Tätigkeit? Irgend etwas in der City. Sein Händedruck, die Lederhandschuhe.
    Vielleicht Staatsbeamter.
    »Nur herein, kommen Sie.«
    Hier roch es nach Geld. Den Boden bedeckte ein flauschiger Veloursteppich, der den Laut ihrer Schritte verschluckte, als sie eintraten. Der Flur war fast kahl: ein Kalender hing an der Wand, ein kleiner Tisch mit dem Telefon, ein Haufen Adreßbücher, ein Kleiderständer.
    »Ist wärmer hier herinnen.«
    Reynolds ließ den Mantel von den Schultern gle iten und hängte ihn auf. Die Handschuhe behielt er an und führte Gavin wenige Meter den Flur entlang in ein großes Zimmer.
    »Geben Sie schon Ihre Jacke«, sagte er.
    »Äh … klar.«
    Gavin zog die Jacke aus, und Reynolds schlüpfte damit auf den Flur hinaus. Als er wieder hereinkam, streifte er umständlich die Handschuhe ab; ein glitschiger Schweißfilm machte die Sache etwas schwierig. Der Typ war immer noch nervös, sogar in seinen eigenen vier Wänden. Normalerweise fingen sie an, ruhiger zu werden, sobald sie hinter verschlossenen Türen in Sicherheit waren. Dieser nicht; er war der reinste Zappelphilipp.
    »Darf ich Ihnen ‘nen Drink bringen?«
    »Ja, klar. Könnt’ nicht schaden.«
    »Und was is’ Ihre Hausmarke?«
    »Wodka.«
    »Aber immer. Irgendwas dazu?«
    »Bloß ‘n Tropfen Wasser.«
    »Purist, hm?«
    Gavin wurde aus der Bemerkung nicht recht schlau. »Ja, doch«, sagte er.
    »Ein Mann ganz nach meinem Geschmack. Nur ‘n Moment, bitte - ich hol’ bloß etwas Eis.«
    »Is’ okay.«
    Reynolds warf die Handschuhe auf einen Stuhl bei der Tür und ließ Gavin im Zimmer allein. Auch hier war es, wie im Flur, geradezu erstickend warm, aber der Raum hatte nichts Gemütliches

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