Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das 4. Buch des Blutes - 4

Das 4. Buch des Blutes - 4

Titel: Das 4. Buch des Blutes - 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
Vom Netzwerk:
betete John noch immer mit an- und abschwellender Stimme. Sie ging zum Tisch hinüber und warf einen flüchtigen Blick auf seine Notizen, aber die dichtgedrängten Worte tanzten unleserlich vor ihren Augen. Sie hob die Aufzeichnungen auf, um sie aus größerer Nähe zu begucken, und dabei hörte sie ein Stöhnen im Zimmer nebenan. Sie erstarrte. Das Stöhnen kam wieder, lauter. Die Aufzeichnungen zitterten in ihren Händen. Sie wollte sie gerade auf den Tisch zurücklegen, da kam die Stimme ein drittes Mal, und diesmal glitten ihr die Seiten aus der Hand.
    »Na, sperr dich nich’ so, verdammt…«, sagte die Stimme; die Worte, wenngleich verschwommen, waren unverkennbar; weiteres Gegrunze folgte. Virginia bewegte sich zur Tür zwischen den Zimmern, das Zittern breitete sich von ihren Händen über den ganzen Körper aus. »Du spielst jetz’ schön mit, ja?« ließ sich die Stimme erneut vernehmen; Verärgerung schwang in ihr mit. Vorsichtig schaute Virginia ins Zimmer acht hinein und hielt sich dabei zur Abstützung am Türsturz fest. Auf dem Bett war ein Schatten; er wand sich qualvoll, als mache er Anstalten, sich selber zu schlingen. Wie angewurzelt stand sie da, versuchte einen Schrei zu ersticken, während weitere Laute von dem Schatten aufstiegen. Nicht eine Stimme diesmal, sondern zwei. Die Worte waren durcheinander gemischt. In ihrer wachsenden Panik wurde Virginia kaum schlau aus ihnen. Sie war jedoch außerstande, der Szene den Rücken zu kehren. Sie starrte weiter auf das Bett, versuchte, aus dem sich hin und her schiebenden Gebilde irgendwie schlau zu werden. Jetzt ließen sich ein paar verstehbare Wortfetzen heraushören; und damit war auch der Vorgang auf dem Bert erkennbar. Sie hörte die Stimme einer Frau, voller Protest, und eben jetzt nahm auch die Sprecherin Gestalt an: unter einem Partner zappelnd, der sich bemühte, ihre herumschlegelnden Arme zu blockieren. Virginias erster intuitiver Eindruck von der Szene war richtig gewesen: Es war ein Verschlingen, in gewisser Hinsicht.
    Sadie blickte in Bucks Gesicht. Der Kerl hatte wieder dieses alte Drecksgrinsen in der Visage; schon juckte automatisch ihr Abzugsfinger. Dazu war er heut nacht hergekommen! Nicht zum Gespräch über gescheiterte Träume, sondern um sie auf dieselbe Art zu erniedrigen wie so viele Male in der Vergangenheit. Er flüsterte Obszönitäten in ihren Nacken, während er sie auf die Laken niederpreßte. Das Vergnügen, das ihm ihre Bedrängnis bereitete, brachte sie in Rage.
    » Laß mich los !« brüllte sie lauter, als sie vorgehabt hatte.
    An der Tür sagte Virginia: »Laß sie in Ruhe!«
    »Wir ham Zuschauer bekommen«, grinste Buck Durning, dem der entsetzte Ausdruck in Virginias Gesicht gefiel. Sadie nutzte seine abgelenkte Aufmerksamkeit aus. Sie ließ ihren Arm aus Bucks Griff gleiten und stieß den Kerl von sich; aufkreischend rollte er von dem schmalen Bett herunter. Beim Aufstehen sah sie sich nach der aschfahlen Frau in der Türöffnung zu. Wieviel konnte Virginia sehen oder hören?
    Genug um zu wissen, wer sie waren.
    Buck stakste über das Bett auf seine ehemalige Mörderin zu.
    »Komm schon«, sagte er. »Es is’ nur die beknackte Tussi.«
    »Bleib mir vom Leib!« warnte ihn Sadie.
    »Du kannst mir jetz’ nichts antun, Weib. Ich bin bereits tot, erinnerst dich?« Seine Anstrengungen hatten die Schußwunde geöffnet. Er war über und über mit Blut verschmiert; sie zum Teil auch, jetzt da sie hinsah. Sie wich Richtung Tür zurück.
    Hier war nichts mehr zu retten. Die womöglich anfangs vorhandene mehr oder minder geringe Chance zur Aussöhnung war zu einer blutigen Farce entartet. Die einzige Lösung für dieses ganze traurige Schlamassel lag darin, von hier wegzukommen und es der armen Virginia zu überlassen, sich den ihr plausibelsten Reim darauf zu machen. Je länger sie, Sadie, blieb, um mit Buck zu kämpfen, desto schlimmer würde die Lage für sie alle drei werden.
    »Wo willst du hin?« fragte Buck aufgebracht.
    »Raus«, erwiderte sie. »Fort von dir. Ich hab’ gesagt, daß ich dich geliebt habe, Buck, nicht wahr? Also… vielleicht ja. Aber jetzt bin ich geheilt.«
    »Luder!«
    »Mach’s gut, Buck! Und schöne Ewigkeit noch.«
    »Mieses Luder!«
    Sie antwortete nicht auf seine Anschuldigungen; sie ging einfach durch die Tür, hinaus in die Nacht.
    Virginia sah zu, wie der Schatten durch die geschlossene Tür passierte, und hielt sich mit weißknöchligen Fäusten an den zerfetzten Überresten ihrer

Weitere Kostenlose Bücher