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Das 5. Buch des Blutes - 5

Das 5. Buch des Blutes - 5

Titel: Das 5. Buch des Blutes - 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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Kind. Du kannst nichts dran ändern. Du bist da bloß vorbeigekommen.«
    In seinen Worten hallte lediglich wider, was sie früher am Tag selber gedacht hatte, aber irgendwie - aus Gründen, für die sie keine Worte finden konnte - war diese Überzeugung in den letzten Stunden dahingeschwunden. Sie kam da nicht bloß vorbei. Niemand kam je bloß vorbei; das unmittelbare Erleben hinterließ stets seine Spur. Manchmal kratzte es nur; gelegentlich riß es Glieder weg. Sie kannte das Ausmaß ihrer gegenwärtigen Verwundung nicht, wußte aber, daß es tiefer reichte, als sie jetzt schon zu begreifen imstande war, und das machte ihr Angst.
    »Unser Alkohol ist alle«, sagte sie und leerte die letzten paar Tropfen Whisky in ihr Glas.
    Trevor schien sich zu freuen, daß er einen Anlaß hatte, ihr gefällig zu sein. »Ich geh’ noch mal weg, ja?« sagte er.
    »Besorg’ uns ‘ne Flasche oder zwei?«
    »Klar doch«, antwortete sie. »Wenn du willst.«
    Er blieb nur eine halbe Stunde weg; es wäre ihr lieber gewesen, wenn er länger gebraucht hätte. Sie wollte nicht reden, nur dasitzen und über das beklemmende Unbehagen in ihrem Bauch nachdenken. Obwohl Trevor ihre Sorge um den Hund abgeschmettert hatte - und dies vielleicht mit Recht -, mußte sie einfach vor ihrem inneren Auge zu der versperrten Maisonette zurückkehren; sich wieder das rasende Gesicht an der Schlafzimmerwand vergegenwärtigen und das gedämpfte
    Knurren des Tieres hören, wie es mit den Pfoten über die vors Fenster genagelten Bretter fährt. Was immer Trevor gesagt hatte - sie glaubte nicht, daß die Wohnstätte als behelfsmäßiger Hundezwinger diente. Nein, der Hund war da drin gefangen, da gab es keinen Zweifel, rannte unablässig im Kreis herum, war in seiner Verzweiflung dazu getrieben, seinen eigenen Kot zu fressen, und wurde irrsinniger mit jeder Stunde, die verging.
    Sie bekam Angst, daß jemand - Kinder vielleicht, die nach weiterem Brennmaterial für ihren Scheiterhaufen suchten - in die Wohnung einbrechen werde, ohne zu wissen, was sie enthielt. Nicht um die Sicherheit der Eindringlinge bangte sie, sondern sie befürchtete, daß der Hund, einmal befreit, sie holen kommen werde. Er würde wissen, wo sie war (so legte es sich ihr betrunkener Kopf zurecht), und sie ausschnüffeln.
    Trevor kehrte mit dem Whisky zurück, und sie tranken zusammen bis in die frühen Morgenstunden, als dann ihr Magen revoltierte. Sie flüchtete in die Toilette - wobei Trevor draußen fragte, ob sie irgend etwas brauche, und sie ihm mit dünner Stimme zurief, er solle sie in Ruhe lassen. Als sie eine Stunde später herauskam, war er zu Bett gegangen. Sie legte sich nicht zu ihm, sondern aufs Sofa und döste vor sich hin, bis es dämmerte.
    Der Mord war eine Sensation. Am Morgen prangte er als Aufmacher auf allen Titelseiten der Boulevardpresse und stand auch in den seriöseren Blättern an herausragender Stelle. Es gab Fotos von der leidgeprüften Mutter, wie sie aus dem Haus geführt wird, und andere, verwischt, aber wirkungsvoll, die über die Hinterhofmauer und durch die offene Küchentür aufgenommen waren. War das da auf dem Boden Blut oder ein Schatten?
    Helen machte sich nicht die Mühe, die Artikel zu lesen - ihr schmerzender Kopf rebellierte schon bei der Vorstellung -, aber Trevor, der die Zeitungen hereingebracht hatte, brannte darauf zu reden. Sie konnte nicht herausfinden, ob dies ein weiterer Versöhnungsversuch war oder echtes Interesse am Ausgang der Sache.
    »Die Frau is’ in Untersuchungshaft«, sagte er, in den Daily Telegraph vertieft. Politisch ging ihm dieses Blatt gegen den Strich, aber es war berühmt für seine ausführliche Behandlung von Gewaltverbrechen.
    Die Bemerkung erforderte Helens Aufmerksamkeit, ob sie nun wollte oder nicht. »In Untersuchungshaft?« sagte sie.
    »Anne-Marie?«
    »Ja.«
    »Zeig her.«
    Er überließ ihr die Zeitung, und sie überflog die Seite.
    »Dritte Spalte«, half Trevor nach.
    Sie fand die Stelle, und da stand es schwarz auf weiß. Anne-
    Marie befand sich in Untersuchungshaft: klärungsbedürftiges Verdachtsmoment war die Zeitdifferenz zwischen der mutmaßlichen Todesstunde des Kindes und dem Zeitpunkt, zu dem seine Ermordung gemeldet worden war. Helen las die fraglichen Sätze gleich noch einmal, um sicherzugehen, daß sie richtig verstanden hatte. Ja, das hatte sie. Nach Einschätzung des Polizeipathologen war Kerry etwa zwischen sechs und halb sieben Uhr morgens gestorben; der Mord war erst um zwölf

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